Seiten 100 bis 156:   Armee/ 
        Didaktik  | 
    Armee/Material: Seiten 
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Teil VII  | 
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Unterrichtseinheit 
        Armee  | 
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Die Unterrichtseinheit 
        Armee, bei deren Konzipierung davon ausgegangen wurde, daß durch vorherige 
        Beschäftigung mit einer anderen Einheit die Problematik des Rassenkonfliktes 
        bekannt ist, soll anhand des Sozialisationsprozesses der Schwarzen in 
        der US-Armee eben diesen Prozeß und Ansatzpunkte für eine Emanzipation 
        von ihm verdeutlichen. Eine strikte 
        Trennung zwischen der Bundeswehr und der US-Armee wird in der Materialspalte 
        nicht eingehalten, da sie wegen der prinzipiell gleichen Zielsetzung und 
        der engen Zusammenarbeit der Armeen in der NATO nicht nötig scheint; vielmehr 
        wird so der engen Verknüpfung in bezug sowohl auf die außenpolitische 
        Zielsetzung als auch die ablaufende Sozialisation Rechnung getragen.  | 
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M 1 / M 2 Als Einstieg eignen sich Zeitungsmeldungen über Spannungen innerhalb der in 
        der BRD stationierten US-Streitkräfte oder auch solche über Auseinandersetzungen 
        zwischen US-Soldaten und deutscher Bevölkerung. Hier soll zunächst 
        der eine mögliche Unterrichtsstrang skizziert werden, der versucht, 
        die Hintergründe für Konflikte innerhalb der Armee herauszuarbeiten. Die 
        Schüler sollen im Verlauf des Unterrichts die Fähigkeit entwickeln können, 
        die gewonnenen Kenntnisse zur Beurteilung der den männlichen Schülern 
        zugedachten Rolle als Soldaten oder Ersatzdienstleistende zu verwerten. 
        Im Rahmen dieses Unterrichtsstranges erhält das Problem des Verhältnisses 
        zwischen Armee und Zivilbevölkerung Bedeutung nur als ein Teilproblem. 
        Der zweite Unterrichtsstrang (ab M 44) will die Einsicht in Vorurteilsstrukturen 
        der Schüler selbst und ihrer sozialen Umgebung fördern. (Das Material 
        könnte die Schüler anregen, aus dem Lokalteil von Zeitungen Berichte über 
        Straftaten von Deutschen wie Ausländern zu sammeln und unter dem Gesichtspunkt 
        des sozialen Hintergrunds von Tätern und Taten zu analysieren.) Als Ursache 
        für den zur Zeit außerordentlich stark in Erscheinung tretenden Konflikt 
        zwischen schwarzen und weißen Soldaten werden die Schüler entsprechend 
        den in einer anderen Unterrichtseinheit erworbenen Kenntnissen die Fortsetzung 
        der - schon im Zivilleben vorhandenen - Diskriminierung in der Armee sehen. 
        Aber diese Erklärung trifft nur einen Teil der Wahrheit. Es ist zu fragen, 
        wie es sich erklären läßt, daß in der Armee Spannungen sehr viel häufiger 
        und intensiver auftreten. M 1 belegt, 
        daß sogar das für eine militärische Organisation charakteristische Schema 
        von Befehl und Gehorsam zeitweise nicht zu funktionieren scheint. Warum 
        funktioniert es sonst? Warum funktioniert es in einem Fall, aber nicht 
        in anderen ähnlichen Fällen, die den Konflikt zwischen Schwarz und Weiß 
        markieren, der nicht nur in diesem einen Fall, sondern auch sonst oft 
        ein Konflikt zwischen Offizieren und Mannschaften ist?  | 
    Schwerverletzte in der Hessen-Homburg-Kaserne  Amerikanische Militärpolizei in Hanau forderte deutsche 
        Polizei an  Der Tod dieses 
        Soldaten, dessen Name bisher noch nicht bekanntgegeben wurde, veranlaßte 
        offensichtlich am Sonntag 4o bis 45 farbige Soldaten, in der Bataillonsgeschäftsstelle 
        vorzusprechen. Sie verlangten ein Gespräch mit dem Bataillonskommandeur 
        oder dem kommandierenden General der Division. (.... ) Als Hauptmann Richard J. Jonston die Soldaten darauf hinwies, 
        daß sie eine dreiviertel Stunde warten müßten, sei es zu den Tumulten 
        gekommen, bei denen der Offizier niedergeschlagen worden sei. Außerdem 
        seien mehrere Räume der Kaserne verwüstet worden, bevor die Militärpolizei 
        die Rädelsführer festnehmen konnte und wieder Herr der Lage war. Die Militärpolizei alarmierte auf dem Höhepunkt der Tumulte ein Einsatzkommando 
        der deutschen Polizei mit einem Hund, das aber nicht mehr einzugreifen 
        brauchte. Der Tod des farbigen Soldaten und die Tumulte sind gegenwärtig, 
        nach Angaben des Pressestellensprechers der 3. Panzerdivision, Gegenstand 
        einer Untersuchung. lh (Frankfurter Rundschau [FR] v. 5.1.1971)  | 
  
  
M 2 Zwischenfälle mit Soldaten ma. SCHWEINFURT, 4. September. Als Antwort auf zahlreiche Zwischenfälle mit 
        farbigen amerikanischen Soldaten sind jetzt in Schweinfurt deutsch-amerikanische 
        Polizeistreifen gebildet worden. An Zahltagen hält sich außerdem US-Militärpolizei 
        im Polizeipräsidium der Stadt auf. Die Bevölkerung ist wegen mehrerer 
        Überfälle beunruhigt. So haben farbige Soldaten kürzlich ein deutsches 
        Mädchen und deren weißen amerikanischen Freund zusammengeschlagen. Als 
        die Polizei den mutmaßlichen Haupttäter festgenommen hatte, rotteten sich 
        6o Farbige vor der Wache zusammen und zogen, nachdem der Soldat wieder 
        auf freien Fuß gesetzt worden war, randalierend durch die Straßen. Schließlich 
        sollen auf das Konto der Soldaten noch drei Fälle von Vergewaltigung und 
        Diebstähle kommen. Auch haben US-Soldaten angeblich aus einem Auto heraus 
        auf einen Deutschen geschossen. (Frankfurter Allgemeine Zeitung [FAZ] v. 5.9.1970.)  | 
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M 3 Dieser Zeitungsartikel zeigt das genaue Ausmaß des Konfliktes und seine Auswirkungen. 
        Er stellt M 1 als nur ein Beispiel in einen größeren Zusammenhang 
        und erläutert diesen, indem er bestätigt, daß der Rassenkonflikt in den 
        amerikanischen Streitkräften eine beträchtliche Rolle spielt. 
 
 
 
 
 
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    M 3 Rassenkonflikt
bei US-Truppen NEW YORK, 3. November (AP). Nach Ansicht von sachverständigen Beobachtern
könne es in der Bundesrepublik unter den dort stationierten amerikanischen
Soldaten jede Minute zu einem offenen Ausbruch von Feindseligkeiten kommen,
berichtet das amerikanische Nachrichtenmagazin »Newsweek« in seiner neuesten
Ausgabe. Obwohl nur zwölf Prozent der 185 000 US-Soldaten in Deutschland Farbige
seien, trete der Rassenkonflikt so stark in Erscheinung, daß die Haltung und
Kampfkraft der Truppen bereits ernsthaft beeinträchtigt seien, wie Beobachter
meinen. Scharfe
Disziplinarmaßnahmen seien kaum imstande, die militanten Farbigen, die sich
über die Diskriminierung ihrer Rasse beklagen, abzuschrecken. (FRv. 4. 11. 1970).  | 
  
 
 
 M 4 Hier wird deutlich, was unter der
bereits erwähnten Diskriminierung im konkreten Einzelfall zu verstehen ist. Die aus den 
        gesellschaftlichen Verhältnissen in den USA herrührenden Spannungen besonders 
        zwischen schwarzem und weißem Bevölkerungsteil können in der Armee besonders 
        deutlich hervortreten, da die relative Isoliertheit der Afro-Amerikaner 
        in den Gettos (»zwei Nationen«) in der Armee durchbrochen wird. Die aus 
        dem Rassenkonflikt herzuleitenden Ursachen für Spannungen in der US-Armee 
        - sie lassen sich unter erheblichen Vorbehalten vergleichen mit einem 
        Konflikt zwischen Soldaten aus der Mittelschicht und solchen aus der Unterschicht 
        in der Bundeswehr - sind in einem Zusammenhang zu sehen mit anderen Konflikten, 
        die für jede Armee charakteristisch sind. 
 
 
 
 
 
 
 
 
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    M 4 (. .) Die Negersoldaten berichten auch von subtileren Möglichkeiten, sie das
Zweitklassige ihrer Rasse fühlen zu lassen. Betreten sie einen überwiegend von
weißen Soldaten besuchten Klub, starren die anderen sie an, bis es ihnen
ungemütlich wird und sie wieder hinausgehen. Betreten sie eine von Weißen
besuchte Bar außerhalb der Kaserne, bedienen die Kellnerinnen später gekommene
Weiße zuerst, und manchmal wird ihnen auch »versehentlich« Bier über den Rock
gekippt. Wieder andere Soldaten berichten, ihr Hauptfeldwebel lasse sie als
Neger regelmäßig warten, während er sich mit viel später eingetretenen weißen
Soldaten ausgiebig unterhalte. Nahezu
überall trifft man bei den schwarzen Soldaten auf die Behauptung, sie würden
bei der Auswahl zu Beförderungen diskriminiert: die Unteroffiziere würden immer
irgendwelche Gründe finden, warum ein Schwarzer nicht befördert werden könne,
wohl aber ein Weißer. Ein Soldat berichtete zum Beispiel, sein Feldwebel habe
ihm monatelang erzählt, es sei keine Planstelle im Zug für seine Beförderung
offen. Kaum daß er versetzt war, wurden zwei Weiße im Zug befördert. Ein
anderer Neger wurde davon abgehalten, sich für einen Offiziersauswahllehrgang
zu melden, weil ein Feldwebel ihm erklärte: »Von euch kommen nicht viele
durch.« Die Neger meinen, sie als Schwarze müßten viel mehr leisten, um genauso
behandelt zu werden wie der durchschnittliche weiße Soldat. Viele geben auch
ihrer großen Besorgnis Ausdruck, ob sie wohl ihren in Vietnam erworbenen
Dienstgrad behalten, denn sie sehen die diskriminierende Neigung, Negersoldaten
schon bei kleineren disziplinaren Verstößen zu degradieren. (. . .) (Aus einem Bericht einer amerikanischen Armeezeitschrift, veröffentlicht in
der FAZ vom 11. 8. 1970 unter dem Titel: Schwarz gegen Weiß - ein schleichendes
Fieber.)  | 
M 5 / M 6 Diese jede Armee auszeichnenden Konflikte ergeben sich aus der besonderen 
        Sozialisationsfunktion einer Armee, die wahrgenommen wird, indem - im 
        Gegensatz zu anderen Sozialisationsinstanzen - zunächst und vor allem 
        in der Grundausbildung durch die rigide Unterdrückung individueller Bedürfnisse 
        Macht demonstriert wird, um so unbedingten Gehorsam zu erzwingen. Das 
        geschieht unter direkter physischer Bedrohung. Auf die Individualität 
        des einzelnen wird nicht eingegangen, es sei denn durch spezielle Maßnahmen 
        zur Gewährleistung von Anpassung an das Reglement und zur Durchsetzung 
        von Leistungsanforderungen. Diese Bedürfnisunterdrückung wird - 
        wenn auch u. U. und mit der zunehmenden Verinnerlichung der Normen seitens 
        der Unterdrückten in modifizierter Form - während der gesamten Dienstzeit 
        fortgesetzt. Das kommt zum Ausdruck in oft unverständlichen Disziplinanforderungen, 
        in der Schinderei durch Vorgesetzte, die kritiklos hingenommen werden 
        muß, wenn man sich nicht Repressalien aussetzen will, in der Einschränkung 
        der Möglichkeit von sexueller Befriedigung durch sehr gering bemessene 
        Freizeit, in der Konzentration von Männern und der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften 
        sowie in der Trennung von der gewohnten Umgebung, was besonders für ausländische 
        Soldaten große Probleme schafft. (Vgl. dazu: Amerikanische Soldaten leben 
        einfacher, in: FAZ v. 11. 10. 1971 - unterschiedliche Auffassungen in der US-Armee und der Bundeswehr über die 
        Unterbringung von Soldaten [»Heim« - »spartanische Härte«]: »Zum Beispiel 
        bevorzugten die Amerikaner für ihre Soldaten Schlafsäle mit 20 Betten, 
        die Deutschen dagegen Zimmer mit nur sechs Plätzen.« - Oder: Pin-up-girls 
        sind nicht nur zum Träumen da, in: FAZ v. 6. 11. 1971 - der o. a. behauptete 
        Unterschied der Auffassungen wird bestritten: » ›Viele junge Soldaten 
        sind empört über die Lebensbedingungen, die sie in Deutschland vorfinden‹, 
        sagt ein Offizier des Ingenieurkommandos Europa, ›wir brauchen uns nicht 
        zu wundern, wenn sie Depressionen kriegen‹.« Beide Artikel beschäftigen 
        sich mit den Schwierigkeiten der Finanzierung einer Renovierung der von 
        der Reichswehr übernommenen und inzwischen verfallenen Kasernen. Zum Komplex 
        Devisenausgleichszahlungen vgl. M 39 / M 40.) Der Übergang 
        vom Zivilleben in die Armee ist besonders konfliktgeladen auch wegen der 
        nunmehr direkt zu erfahrenden, unverschleierten Ausübung von Herrschaft 
        und wegen der gegenüber dem Zivilleben stark eingeschränkten Möglichkeit, 
        das durch das Befehl-Gehorsam-Schema stark angegriffene Selbstwertgefühl 
        in der Freizeit wiederherstellen zu können. ( Sport, Bd. I, S. 74; Werbung, 
        Bd. I, S. 134; Musik, Bd. I, S. 61) »Es sind - vereinfacht 
        dargestellt - im wesentlichen zwei (Ursachen der Triebunterdrückung, d. 
        Verf.): Einmal die in jeder Gesellschaft herrschende Moral mit ihren Gesetzen, 
        Normen und Werten, die vom ersten Lebenstag an mit Sanktionen und Gratifikationen 
        ein gewünschtes, konformes Verhalten erzwingt, das fast immer auf Triebverzicht 
        beruht und dem einzelnen nicht verstehbar erscheint. Dann aber die immer 
        koplizierter werdende technische Organisierung der modernen Gesellschaft, 
        die für den einzelnen ebenfalls nicht mehr durchsichtig ist und ihm, etwa 
        am automatisierten Arbeitsplatz, vor anonymen Behördeninstanzen oder in 
        tristen Wohngettos, nicht mehr erlaubt, Gefühlsbindungen zu »Objekten« 
        (Objektbeziehungen) herzustellen. Die rigorose Forderung, sich den Bedingungen 
        der Industriegesellschaft und ihres propagierten Ethos' anzupassen, bringt 
        individuelles kritisches Denken und soziale Verantwortung - Zeichen sog. 
        »Ich-Leistungen« - zunehmend zum Verschwinden. Individualität reduziert 
        sich auf Extravaganz, weil auf elementare psychische Bedürfnisse des Menschen 
        keine Rücksicht genommen wird. ( Werbung, Bd. I, S. 108) Die Natur des 
        Menschen »Die Sexualverdrängung 
        ... schafft in der Struktur des bürgerlichen Menschen eine sekundäre Kraft, 
        ein künstliches Interesse, das die herrschende Ordnung auch aktiv unterstützt. 
        Ist nämlich die Sexualität durch den Prozeß der Sexualverdrängung aus 
        den naturgemäß gegebenen Bahnen der Befriedigung ausgeschlossen, so beschreitet 
        sie den Weg der Ersatzbefriedigung verschiedener Art.« ( Werbung, Bd. 
        I, S. 114) »So zum Beispiel steigert sich die natürliche Aggression zum 
        brutalen Sadismus, der ein wesentliches Stück der massenpsychologischen 
        Grundlage desjenigen Krieges bildet, der von einigen wenigen aus imperialistischen 
        Interessen inszeniert wird. Um ein anderes Beispiel zu nennen: Die Wirkung 
        des Militarismus beruht massenpsychologisch im wesentlichen auf einem 
        libidinösen Mechanismus; die sexuelle Wirkung der Uniform, die erotisch 
        aufreizende, weil rhythmisch vollendete Wirkung der Parademärsche, der 
        exhibitionistische Charakter des militärischen Auftretens sind einer Hausgehilfin 
        oder einer durchschnittlichen Angestellten bisher praktisch klarer geworden 
        als unseren gebildetsten Politikern. Dagegen bedient sich die politische 
        Reaktion bewußt dieser sexuellen Interessen. Sie schafft nicht nur pfauenartig 
        ausstaffierte Uniformen für die Männer, sondern sie läßt wie in Amerika 
        die Anwerbung durch anziehende Frauen durchführen. Am Schluß sei noch 
        an die Werbeplakate der kriegslüsternen Mächte erinnert, die etwa folgenden 
        Inhalt haben: »Willst Du fremde Länder kennen lernen, dann tritt in die 
        Marine des Königs ein!«; und die fremden Länder sind durch exotische Frauen 
        dargestellt. Und warum wirken diese Plakate? Weil unsere Jugend durch 
        die Sexualeinschränkung sexualhungrig geworden ist.« (Wilhelm Reich, 
        Massenpsychologie des Faschismus, o. O. 19342. [Erhältlich 
        als Raubdruck] S. 53 f.) Ob die Werbung 
        für die Bundeswehr ebenfalls sexuelle Unterdrückung außerhalb der Armee 
        für ihre Zwecke benutzt (»Männer für die Bundeswehr«), indem sie als Möglichkeit 
        zur Bestätigung von »Männlichkeit« angeboten wird, könnte von den Schülern 
        u. a. anhand einiger Anzeigen (übrigens bevorzugt an Schülerzeitungen 
        gegeben) untersucht werden. Auch empirische Untersuchungen haben 
        gezeigt (vgl. u. a.: Robert C. Day/Robert L. Hamblin, Some Effects of 
        Close and Punitive Styles of Supervision, in: American Journal of Sociology, 1964, S. 499-510), daß Menschen auf die für 
        militärische Organisationen typischen Formen der Herrschaftsausübung mit 
        Aggressionen sowohl gegen die Auch-Beherrschten, ihre »Schicksalsgefährten«, 
        als auch gegen die Herrschaftsausübenden reagieren.  | 
    M 5 Die Grundausbildungssituation 
        stellt allerdings insofern eine Streß-Situation dar, als die Rekruten 
        auf engstem Raum mit anderen zusammenleben müssen, mit Personen, die sie 
        sich meist nicht selbst aussuchen können. Hinzu kommt der weitgehende 
        Verlust der Freizeit, die strenge Unterordnung unter Vorgesetzte und der 
        ungewohnte Dienst. Diese Form des Streß unterscheidet sich aber grundlegend 
        vom oben genannten Streß durch äußere Bedrohung. Während das Führungsverhalten 
        dort als funktional empfunden werden kann und unter Umständen einen Ausweg 
        aus der bedrückenden Situation bietet, ist der Gruppenführer und sein 
        Verhalten hier selbst Bestandteil der Streß erzeugenden Situation. (Wolfgang Sodeur, Führungsstile, Spannungen und Spannungsbewältigung 
        in militärischen Gruppen, in: René König, [Hrsg.], Beiträge zur Militärsoziologie. 
        Sonderheft 12/1968 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 
        [KZfSS] S. 304 f.). M 6 »Nach fünf Wochen hatten wir den ersten Ausgang. Bis 21 Uhr abends. Um 22 Uhr beim Zapfenstreich fehlten zwei Rekruten. Wir wußten nichts davon. Wir waren schon in den Betten. Um 23 Uhr wurde Alarm in der Kompanie gegeben. Wir mußten im Arbeitsanzug vor dem Kompaniegebäude antreten und standen unserem tobenden Kompaniechef gegenüber. Er erklärte, zwei Mann hätten den Zapfenstreich eine Viertelstunde überschritten. Als Kollektivstrafe ordnete er einen Maskenball an. Er sagte noch wörtlich: ›Einen Maskenball nach alter preußischer Sitte.‹ Es ging dann heiß her. Wir hatten sechs verschiedene Anzüge. Die mußten ständig gewechselt werden. Zeit: Fünf bis sieben Minuten. Wir schwitzten, wir fluchten, aber es war nicht zu ändern - es dauerte zwei Stunden. Danach befahl der Kompaniechef den zwei Zappenwichsern und vier anderen Soldaten, die schon mehrmals in der Woche aufgefallen waren, einen Nachtmarsch. Es wurden vier Ausbilder eingeteilt, die diesen Nachtmarsch überwachen mußten. Die zwei Soldaten, die den Zapfenstreich überschritten hatten, waren überhaupt nicht marschfähig. Die waren noch total betrunken. Einer von ihnen, das stellte ich dann am Morgen fest, wurde etwa gegen 8 Uhr von Ausbildern auf Stöcken in die Kaserne getragen. Sie mußten gleich wieder am Dienst teilnehmen. Ich weiß nicht, ob der Chef das gewußt hat. Der war sonst ... « (Heinz D. Stuckmann, Es ist so schön, 
        Soldat zu sein oder Staatsbürger in Uniform, Reinbek 1964, [rororo aktuell 
        Nr. 685] S. 22) 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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M 7 Die in dieser frustrierenden Situation entstehende und die bereits vorhandene Aggressivität werden zur Erhöhung der Kampfmoral genutzt, denn eine Möglichkeit der ›Spannungsbewältigung‹ ist die Identifikation mit der unterdrückenden Institution oder Person, d. h. die unbedingte Anpassung an deren Forderungen. Auf diese Weise läßt sich auch das stark beeinträchtigte Selbstwertgefühl (scheinbar) wiederherstellen. 
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    M 7 Unzufriedenheit und Spannungen, ob sie infolge des Führungsverhaltens der
Gruppenführer oder aus anderen Gründen bei den Rekruten auftreten, können nicht
direkt beobachtet werden. Sie zeigen sich erst in Handlungen oder verbalen
Äußerungen der Rekruten. Die Möglichkeiten der Spannungsbewältigung durch
solche Reaktionen sind vielfältig und reichen vom Rückzug aus der
spannungserzeugenden Situation bis zur Identifikation mit der Person oder
Institution, die für die Spannungen verantwortlich ist. (Wolfgang Sodeur, in: KZfSS, a. a. O., S. 306)  | 
  
M 8 Schon in dem oben angeführten Zitat von Wolfgang Sodeur (M 5) wird
deutlich, wie diese Identifikation am besten zu erreichen ist: das
»Führungsverhalten« wird als »funktional« empfunden, wenn derjenige, der führt,
auf eine äußere Bedrohung verweist. Und hier sagt der Militärsoziologe Sodeur,
der u. a. auch in der »Reihe Führungshilfen« der »Schriftenreihe Innere
Führung« (herausgegeben vom Bundesminister der Verteidigung) veröffentlicht,
das ganz deutlich. Nur so lassen
sich potentiell gegen den Führenden gerichtete Aggressionen »sinnvoll«
umlenken, denn es werden Möglichkeiten der »legalen« Aggressionsabfuhr
aufgezeigt. »Die Methoden
moderner Militärausbildung machen den Menschen vollends zum willen- und
gedankenlosen Bestandteil der Kriegsmaschinerie, zum efficient Soldier, wie der
amerikanische Psychoanalytiker Kurt Eissler nachgewiesen hat. Denn die
jungen Wehrpflichtigen sind ohnehin bereits ... frustrierte Menschen, die zu
Aggressivität bereit sind. Hinzu kommt, daß beim Menschen die natürliche
Tötungshemmung, die etwa das Tier instinktiv davor zurückschrecken läßt, dem
unterlegenen Artgenossen die Kehle durchzubeißen, gefährlich herabgesetzt ist.
Die Waffe drückt die Tötungsschwelle weiter herab: einmal durch ihre
Faszination, die sie auf die meisten Menschen ausübt, zweitens durch die
Distanz, die sie zum Gegner hält. (... ) Im Krieg wird
Töten vollends sittliche Pflicht, gefordert und gesegnet von den höchsten
gesellschaftlichen Autoritäten: Politikern, Juristen, Priestern, Wissenschaftlern,
Künstlern.« (Anton Andreas Guha, a. a. O.)  | 
    M 8 Zahlreiche Untersuchungen haben ergeben, daß in Gruppen unter Streß die
inneren Spannungen an Bedeutung verlieren und eine straffe Führung von den
Gruppenmitgliedern weit eher akzeptiert wird als in Situationen ohne »äußeren
Druck«. Für solche Streß-Situationen können sehr unterschiedliche Ursachen
verantwortlich sein, z. B. extreme klimatische Bedingungen, sportliche
Wettkämpfe gegen gleichwertige oder überlegene Gegner, harter Konkurrenzkampf
um Absatzmärkte, Gefechtseinsatz im Krieg. Gemeinsam ist diesen Bedingungen,
daß sie für den einzelnen oder für die Gruppe eine Bedrohung darstellen. Unter
dieser Bedrohung erhält das Gruppenziel zentrale Bedeutung für alle
Beteiligten; individuelle Ziele treten zurück oder werden mit dem Gruppenziel
identifiziert. Je größer die Bedrohung von außen ist und je bedeutsamer die
Gruppenaufgaben den Gruppenmitgliedern erscheinen, desto mehr wächst das
Bedürfnis nach wirksamer Führung. Einmal steigen damit die Einflußchancen des
Gruppenführers. Zum anderen wird selbst eine strenge Führung, die unter anderen
Bedingungen wahrscheinlich nicht im Interesse der Gruppenmitglieder läge,
bereitwilliger akzeptiert oder sogar als Hilfe empfunden. (Wolfgang Sodeur, in: KZfSS, a. a. O., S. 303 f.) 
 
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Die Bedrohung durch den Kommunismus wird von allen Armeen der »westlichen 
        Welt« konstatiert. Auf diesem Umweg verschaffen sie sich auch die Rechtfertigung 
        für ihren Einsatz im Inneren, wie er in der BRD durch die Notstandsgesetze 
        legalisiert wurde. (In seinem Buch, das als Materialgrundlage Publikationen 
        des Führungsstabes der Bundeswehr wie die »Information für die Truppe« 
        und die »Schriftenreihe Innere Führung« hat, setzt sich Thielen mit der 
        Konzeption der Inneren Führung und ihrer Realisierung im politischen Unterricht 
        in der Bundeswehr auseinander. Im Detail geht er u. a. auf die hier nur 
        skizzierten Komplexe wie die Vermittlung von Antikommunismus und recht 
        eigenwilligem Demokratieverständnis durch diese Publikationen ein.)  | 
      (Bundesministerium für Verteidigung 
        [Hrsg.], Handbuch Innere Führung, o. O. 1964, S. 35. Zitiert nach Hans Helmut Thielen, Der Verfall der Inneren 
        Führung, Frankfurt 1970 [Europäische Verlagsanstalt], S. 133)  | 
  
M 10 Der Weltkommunismus ... versucht, auf alle Lebensbereiche der
Gesellschaft in den nichtkommunistischen Staaten einzuwirken . . .  Dieses Kampfverfahren heißt heute verdeckter
Kampf. Der verdeckte Kampf besteht aus einer Vielzahl zusammenhängender,
von den Kommunisten gegen die legale Staatsführung gerichteter offener
oder subversiver Aktionen. Träger sind illegale Gruppen, die nicht offen
hervortreten. Der verdeckte Kampf kann im Frieden
als innerstaatliche Auseinandersetzung geführt werden ... Er wird immer
von den Kommunisten von außerhalb gesteuert und materiell und
propagandistisch unterstützt. Nach ihren Absichten wird er begonnen,
ausgeweitet, abgeschwächt oder eingestellt, allerdings immer nur soviel, als
ihnen die Abwehrkräfte des Gegners Spielraum lassen. Im
Mittelpunkt dieser Kampfführung, in der sich politisch-psychologische
Beeinflussung mit Gewaltandrohung und versteckter oder offener Gewaltanwendung
verbinden, steht die Bevölkerung. Ohne ihre Passivität, Duldung oder
Unterstützung kann der verdeckte Kampf von den Kommunisten nicht gewonnen
werden. (Hans Edgar Jahn. u. a. [Hrsg. in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für
Verteidigung], Taschenbuch für Wehrfragen 1966/67, Frankfurt, S. 120 f.,
Hervorhebungen im Original. Zitiert nach Thielen, a. a. O., S. 130)  | 
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M 11 Diese abstrakte Umlenkung der Aggressivität im Antikommunismus genügt der 
        menschlichen Psyche jedoch nicht. Zusätzlich müssen Möglichkeiten des 
        konkreten, direkten Abreagierens vorhanden sein. Der berühmte »Schleifer 
        von Nagold«, der oben (M 6) ein Detail seiner eigenen Ausbildung schilderte, 
        ist ein Beispiel dafür. Durch Zuckerbrot (»... Drittbester ... «) und 
        Peitsche wurde er verwendbar als 
        Sozialisierender; er identifizierte sich mit der Bundeswehr in der eben 
        beschriebenen Weise und hatte dann in seinem Beruf ein Ventil für in ihm 
        aufgestaute Aggressionen. Nach Meinung seiner Vorgesetzten erfüllte er 
        seine Aufgabe vorzüglich. Unter den Vorwand 
        der »kommunistischen Bedrohung« lassen sich irrationale und inhumane Verhaltensweisen 
        rechtfertigen - und zwar sowohl politisch als auch individualpsychologisch. 
        Nur durch einen »Betriebsunfall«, nämlich durch den Tod eines »Sozialisierten«, 
        konnte in diesem einen Fall die Abfolge An der Reaktion der Öffentlichkeit auf diesen Fall zeigte sich aber auch die 
        Rückständigkeit der Sozialisationsinstanz Armee; es soll nun, entgegen 
        den Bestrebungen des Offizierskorps, durch Institutionen wie die des Wehrbeauftragten 
        des Deutschen Bundestages, an den von allen Soldaten unter Umgehung des 
        Dienstweges geschrieben und appelliert werden kann, an das Niveau anderer 
        Sozialisationsinstanzen angehoben werden. 
 
 
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    M 11 »Sie haben sich dann später für zwei Jahre verpflichtet. Das finde ich
eigentlich sehr eigenartig nach diesem äußerst harten und - wie Sie selber auch
sagen - zum Teil sehr unsinnigen Treiben. Nach dem verrückten
Unterführerlehrgang haben Sie sich sogar für vier Jahre verpflichtet. Wie kam
das? Können Sie das begründen?« »Ja - die Gründe hierfür... Man weiß 
        nie, ob man einen Unteroffizierslehrgang besteht. Es wurde uns schon vorher 
        gesagt, daß er sehr hart sei. Es wird nicht nur theoretisch, sondern auch 
        körperlich viel verlangt. Es sind ... « »Entschuldigung! Ich sehe da keinen 
        Zusammenhang. (. . .) Hat es Ihnen doch irgendwie Spaß gemacht?« »Mir hat die ganze Sache Spaß gemacht - auch der Unterführerlehrgang.
Zunächst zwar nicht; wenn man da aber als Drittbester abschneidet, dann vergißt
man das Schwere.« »Es geht doch
nicht darum, ob es hart oder schwer war. Es geht darum, daß es übel war. Sie
haben es erkannt und trotzdem mitgemacht. Das verstehe ich nicht! « »Ich wurde
außerdem in der Rekrutenzeit politisch überzeugt von unserer Bundeswehr. Ich
sagte mir damals, die Bundeswehr muß sein. Wenn die Russen kommen und so... Das
war eigentlich der Grund, warum ich Berufssoldat werden wollte - gerade in der
Fallschirmtruppe. Das wurde auch von morgens bis abends gepredigt. Die
Tradition werde fortgesetzt und so... " (Stuckmann, a. a. O., S. 28 f.)  | 
  
M 12 Besteht keine Möglichkeit, die in der Armee erzeugten und auch noch aus dem 
        Zivilleben herrührenden Aggressionen »legal« an Untergebenen oder am »Feind« 
        auszuleben, wie das bei einfachen Soldaten besonders in Friedenszeiten 
        der Fall ist, und lassen sich gar - wie bei schwarzen US-Soldaten - aus 
        rassischen Gründen durch Diskriminierung erzeugte überdurchschnittlich 
        starke Aggressionen aufgrund ihres spezifischen Ursprunges schlechter 
        politisch kanalisieren, ist physische Gewalttätigkeit eine Möglichkeit 
        der Aggressionsabfuhr. Für schwarze US-Soldaten bieten sich als ›Objekte‹ 
        dieser Abfuhr zunächst weiße Soldaten an, besonders dann, wenn sie im 
        Falle von Rassendiskriminierung keine Unterstützung durch Vorgesetzte 
        erwarten können, aber auch weil die sie direkt und unmittelbar beherrschenden 
        und kommandierenden Personen Weiße sind. Vor allem wegen der Ohnmacht 
        gegenüber offener Unterdrückung wird Aggressivität während der Militärdienstzeit 
        sehr verstärkt. Neben der durch die eng eingegrenzte Rollenerwartung und Diskriminierung besonders bei Schwarzen erhöhten Aggressionsbereitschaft gegenüber eigentlichen »Schicksalsgefährten«, die sich in ständigen, verhältnismäßig kleinen Reibereien äußert, passiert es aber auch, wie in M 2 erwähnt, daß schwarze Soldaten ihre Aggressionen gegen die Unterdrücker richten, wenn deren Funktion als solche zu deutlich wird. Doch bleibt es oft bei einem emotional bestimmten gewalttätigen Aufbäumen gegen die nächsten Vorgesetzten. Das endet meist mit der Versetzung der Beteiligten oder der Einlieferung in ein Militärgefängnis, oder aber sie werden nach Vietnam abkommandiert. (Vgl. FAZ v. 11. 8 . 70: Schwarz gegen Weiß - ein schleichendes Fieber, 
        s. M. 4; FR v. 30. 10. 71: Fall ›Darmstadt53‹; siehe auch M 31 / M 37 
        / M 38 / M 39 / M40 / M 44 / M 45 / M 46). Washington auf, 
        strenge Sanktionen gegen die Bundesrepublik einzuleiten, wobei er sogar 
        Truppenreduzierungen nannte, wenn Deutsche weiterhin Neger diskriminierten, 
        indem sie ihnen keine Zivilwohnungen vermieteten. »Wir haben Truppen in 
        dem Land eines früheren Feindes stationiert, der vielleicht in einem gewissen 
        Sinn immer noch unser Feind ist«, erklärte Aims. Er fuhr fort, den heutigen 
        Wohlstand verdankten die Deutschen auch dem Beistand der amerikanischen 
        Soldaten. Er stelle dies nur fest, um damit zu unterstreichen, daß schwarze 
        US-Soldaten nicht schlechter behandelt werden dürften als ihre weißen 
        Kameraden. AP/FR (FR v. 13.11.1971) 
 
  | 
    M 12 ,Vielleicht ist er noch immer unser 
        Feind... ` Nach einem Geheimbericht über Kriminalität farbiger und weißer amerikanischer 
        Soldaten in Europa sollen Neger über zwei Drittel aller Schwerverbrechen 
        von US-Soldaten in der Zeit von Oktober 1970 bis September 
        1971 verübt haben, obwohl nur 14 Prozent der in Europa stationierten Soldaten Farbige 
        sind. (...) Nach den bisher 
        bekanntgewordenen Einzelheiten führt er für den angegebenen Zeitraum insgesamt 
        2984 von Negern verübte Fälle von schweren tätlichen Angriffen, 
        Raub und Vergewaltigung auf, denen nur 740 von weißen Soldaten 
        verübte vergleichbare Straftaten gegenüberstehen. (...), wobei der Bericht Zahlen über 
        Verbrechen von Weißen an Negern nicht aufführt. Weitere in dem 
        Bericht aufgeführte Zahlen beleuchten etwa Gruppenauflehnung gegenüber 
        Vorgesetzten, wobei es sich hier in den meisten Fällen um ein gemeinsames 
        Einstehen mehrerer Farbiger gegenüber Militärpolizisten und Vorgesetzten 
        handeln dürfte. Außerdem werden Angaben über die Zahl militärisch eingekerkerter 
        US-Soldaten in Europa gemacht. Danach waren im Oktober insgesamt 431 US-Soldaten »im Bau«, davon 206 Neger, 202 Weiße, und 23 Farbige anderer 
        Rassen. Nach Bekanntwerden 
        des Berichts ging der Sprecher einer amerikanischen Bürgerrechts-Liga 
        in der US-Armee, Harold Aims, auf eine der möglichen Wurzeln der höheren 
        Kriminalität - die Isolierung - ein. Er forderte die Regierung in  | 
  
Eine andere Möglichkeit, mit Aggressionen ›fertig zu werden‹, ist die Zuflucht 
        zu Rauschmitteln. Wie empirische Untersuchungen von ›Wehr‹-Soziologen 
        gezeigt haben, muß das Rauschbedürfnis tiefer als nur im Führungsverhalten 
        verwurzelt sein. Wo es seine Wurzeln hat, wurde in M 5 und M 6 aufzuzeigen 
        versucht. F. J. Degenhardt 
        (»P. T. aus Arizona«, in: Ders., Spiel' nicht mit den Schmuddelkindern, 
        Reinbek 1969 [rororo Taschenbudt 1168], S. 103 f.) versteht das, was Sodeur 
        als »›spannungslösende‹ Verhaltensweise« bezeichnet, zu illustrieren: 
        Alkohol, Bordell, und wenn das alles gegen die übermächtige Realität in 
        Gestalt des Marschbefehles nach Vietnam nichts mehr auszurichten vermag, 
        der »Rückzug«, (vgl. M 7), die Desertion nach Frankreich. Welche politische 
        Bedeutung - und ob überhaupt eine - dieser Schritt hat, könnte Gegenstand 
        einer Diskussion in der Klasse sein; diese Diskussion sollte die Lage 
        der Deserteure in Schweden berücksichtigen. An dieser Stelle 
        böte sich eine Befragung der Bekannten der Schüler, die bei der Bundeswehr 
        waren oder sind, über ihr Freizeitverhalten an. Entsprechend den bisher 
        aufgezeigten Aggressionsabfuhrmöglichkeiten könnte ein Fragenkatalog zusammengestellt 
        werden, der aber so zu konstruieren wäre, daß auch hier nicht berücksichtigte 
        Formen des Freizeitverhaltens erfaßt würden. Anhand der Befragungsergebnisse 
        wären die bisher aufgestellten Thesen, das bisher Erarbeitete zu überprüfen, 
        was natürlich nur unter Berücksichtigung der Zahl der Befragten und ihrer 
        wahrscheinlichen Glaubwürdigkeit - man bedenke die »Unmoral« mancher Möglichkeiten 
        der Aggressionsabfuhr - geschehen kann. Ist so eine 
        verstärkte Motivation zur Weiterarbeit geschaffen worden, kann man sich 
        dem im folgenden angesprochenen Problem des Haschischkonsums zuwenden, 
        das vielleicht auch bei der Fragebogenaktion schon berührt wurde, da es 
        in letzter Zeit audi in der Bundeswehr an Bedeutung zu gewinnen scheint. Es gibt Rauschmittel, die in ihrer 
        Funktion als »Spannungslöser« offiziell anerkannt sind - über einen Betrunkenen 
        macht man sich höchstens lustig - andere hingegen sind 
        tabu. Aber daß Soldaten »saufen«, ist geradezu ein Bestandteil militärischer 
        Tradition. Die Musterung und jeder Wochenendurlaub werden von den meisten 
        Soldaten dazu benutzt, »den Kummer zu ertränken«. Aufmerksam auf 
        den Rauschmittelkonsum werden offizielle Stellen erst, wenn Haschisch 
        benutzt wird. Der Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages 
        (s. Das Parlament, 21. Jg., Nr. 18, 1.5.1971, S. 1 ff.) beschäftigt sich 
        unter der Überschrift »Rauschmittelkonsum in der Bundeswehr« (S. 11, vgl. 
        auch M18) ausschließlich 
        mit Haschisch und dem Diebstahl von LSD. Über das Ausmaß des Alkoholkonsums 
        gibt es keine Statistiken. In der US-Armee 
        ist der Konsum von Haschisch und Marihuana so weit verbreitet und hoch, 
        daß ihm mit Verboten nicht mehr beizukommen ist. (Nach einem Bericht der 
        FAZ vom 1.5.1971 haben mehr als die Hälfte der 2,9 Millionen amerikanischen 
        Soldaten »Rauschgift«-Erfahrung.) Versuche wie 
        der nebenstehend geschilderte in einer 118 Personen umfassenden 
        Einheit in Vietnam, Marihuana zu integrieren und wenigstens darüber hinwegzusehen, 
        solange jeder die mit seinem »Job« verbundenen Aufgaben erfüllt, scheinen 
        nicht den erhofften Erfolg gehabt zu haben; offensichtlich ließ sich das 
        Marihuanarauchen nicht auf den Feierabend beschränken. So wird die Kampfmoral 
        durch die informelle Legalisierung von Marihuana als Ventil für Aggressionen, 
        die sich sonst verstärkt gegen die Vorgesetzten richten würden, nicht 
        verbessert. Vielmehr werden die Aggressionen - eben dadurch, daß der Rauschmittelkonsum 
        zeitlich nicht begrenzt werden kann - teilweise neutralisiert. Das Resultat 
        sind Soldaten, die versuchen, möglichst heil davonzukommen, indem sie 
        aggressiven Befehlen einfach keinen Gehorsam leisten, und starke Bestrebungen, 
        den Krieg zu » vietnamisieren«, deren Erfolgsaussichten aber gering eingeschätzt 
        werden müssen. Zu miserabel sind die Lebensbedingungen, zu uneinsichtig 
        ist das vorgebliche Ziel der Südostasien-Politik der USA, zu direkt einsichtig 
        aber andererseits der offen aggressive Charakter der »search-and-destroy«-Taktik, 
        bei der der eigenen Bedrohung das Suchen nach Feindkontakt vorausgehen 
        muß und die dem Charakter der amerikanischen Politik in Indochina angemessen 
        ist; das haben erst kürzlich wieder Veröffentlichungen regierungsamtlicher 
        Dokumente durch amerikanische Zeitungen belegt (inzwischen auch in Buchform 
        erschienen: Die Pentagon-Papiere, München/Zürich 1971.[Droemer/Knaur 271), 
        deren Inhalt die Analysen der Anti-Vietnamkriegs-Bewegung bestätigt hat. 
        Zu stark und zu lange sind die Zweifel an der Berechtigung des Krieges 
        durch diese Bewegung im eigenen Land den Soldaten bewußt gemacht worden. Die gleichen 
        Zweifel und mit ihnen verbunden ein Fragen nach der Moral der Gesellschaft, 
        die etwas wie den Vietnamkrieg hervorbringt und über Jahrzehnte hinweg 
        eskaliert, führten in manchen Fällen zur Politisierung von Jugendlichen 
        in Westeuropa und bildeten einen wichtigen Faktor bei der Entstehung der 
        Studenten- und Schülerbewegung. Auf diesen ganzen Komplex, 
        der seinen am deutlichsten meßbaren Ausdruck in den stetig steigenden 
        Zahlen der Kriegsdienstverweigerer in Westdeutschland findet, soll am 
        Ende dieses Unterrichtsstranges genauer eingegangen werden (s. M 39 / 
        M 40 / M 41 / M 42).  | 
      Eindeutige Zusammenhänge 
        zwischen verschiedenen Formen des Vorgesetztenverhaltens und »spannungslösenden« 
        Verhaltensweisen (u. a. Alkoholkonsum, Streitigkeiten und Krankmeldungen) 
        konnten jedoch nicht festgestellt werden. Nur die Häufigkeit der Krankmeldungen 
        stand in einer Beziehung zum Verhalten der Vorgesetzten: ... (Wolfgang Sodeur, Führungsprobleme 
        in der allgemeinen Grundausbildung, Bonn 1969, S. 52 [Schriftenreihe Innere 
        Führung; Reihe Führungshilfen, Wehrsoziologische Studien, Heft 6. Herausgegeben 
        vom Bundesminister für Verteidigung.] Hervorhebung im Original.) M 14 (... ) In den 
        letzten zwölf Monaten haben sich rund 18 Prozent aller (amerikanischen; 
        Anm. d. Verf.) Truppeneinheiten drei- bis viermal unerlaubt vom Dienst 
        mehrere Tage selbst »beurlaubt«, und 10 Prozent sind auf die Dauer fortgeblieben, 
        also Deserteure geworden. Die Gesamtzahl der Deserteure in den letzten 
        zwei Jahren wird von den zuständigen Militärbehörden auf weit mehr als 
        100 000 Mann geschätzt. 
        (... ) (Heinz Pol, Erstklassige Soldaten sind sie nicht mehr, in: 
        FR v. 23. 9. i97I.) M 15 After the jungle, firebase defense is like garrison duty, and the men relish 
        it. Alpha1 splits into two roughly equal groups for the evening 
        parties: the »juicers« lay in supplies of cold beer, while the »smokers« 
        roll their joints and pack their pipe bowls with strong Vietnamese marijuana. 
        Estimates on marijuana users within Alpha vary from Utermahlen's2 
        low of 7 % up to the senior pothead3 in the company's enthusiastic 
        85 %. »We pass the pipe around«, says a squad leader, »and we ask what 
        the hell are we doing here? « Among the grunts4 there 
        is a general taboo against smoking grass in the field, although some do: 
        »We had one guy who was on grass all the time, and he won the Silver 
        Star. He had it down to an exact science. He'd feel the breeze blowing 
        away from the lifers, and he'd say, ›Hey, the wind's right. Let's get 
        nice.‹« Utermahlen is 
        resolutely opposed to marijuana. »It has no place in the field, where 
        you rely on quick thought and reflexes. I know the people who smoke it, 
        but I can never catch them.« Marijuana smoking is so extensive, that anything 
        more than token enforcement would antagonize a dangerously high percentage 
        of the company. No commander as perceptive as Utermahlen cares to risk 
        confrontations of that nature in Vietnam just now. So downwind from Firebase 
        Betty at night, it sometimes smells as though a large haystack were burning. 
        Utermahlen's views on military appearance are also relaxed. »What they 
        wear or look like out in the field is very low on my list of priorities. 
        It's one of the compromises I make. As long as a man does his job, I don't 
        care if he wears peacebeads or symbols or if he shaves.« (John Saar, 
        You can't simply hand out orders, in: LIFE v. 9. 11. 1970. Anmerkungen: 
        1. Name der Einheit; 2. Name des Führers der Einheit; 3. slang für »Hauptmarihuanaraucher«; 
        4: slang für »Infanteriesoldaten«.)  | 
  
M 16 Die zunehmende Verbreitung von Heroin führt zu zeitweilig völliger Kampfunfähigkeit. 
        Außerdem stellen heroinsüchtige Soldaten in den USA eine potentielle Gefahr 
        dar: Sie werden sich das Gift gewalttätig beschaffen, wenn ihre finanziellen 
        Mittel zum Kauf desselben nicht ausreichen. Die einzige Alternative ist, 
        daß sie Wohlfahrtsunterstützung in Anspruch nehmen müssen. (Um diesen 
        Folgen vorzubeugen, wurden Untersuchungen für alle Vietnam-Heimkehrer 
        angeordnet, die vorläufig ergaben, daß nur zwei Prozent heroinsüchtig 
        sind, ohne daß aber die Möglichkeiten berücksichtigt wurden, die Untersuchungsergebnisse 
        durch Unterbrechung des Heroinkonsums zu verfälschen. (s. FAZ v. 7. 7. 
        1971) Neuere Berichte sprechen von knapp fünf Prozent Heroinbenutzern 
        (FR v. 20.7.1971). Alle diese Zahlen demonstrieren deutüch, welchen psychischen 
        Belastungen die Soldaten ausgesetzt sein müssen. 
 
 
 
 
 
  | 
    M 16 Heroin unter GIs weit verbreitet WASHINGTON, 25. Mai (dpa). Etwa 30 000 bis 40 000 US-Soldaten in Südostasien 
        waren im Mai 1971 dem Rauschgift Heroin verfallen, einige der Süchtigen 
        litten bei Erfüllung von Kampfaufträgen wegen Drogenmangel unter Entwöhnungssymptomen. 
        Das geht aus einem am Dienstag in Washington veröffentlichen Kongreßbericht 
        hervor, der von einer Kommission des Repräsentantenhauses nach einer Reise 
        durch neun asiatische Länder zusammengestellt worden ist. Bei ihren Untersuchungen 
        über den Umfang des Heroin-Schwarzmarktes stellte die Kommission fest, 
        daß höchste Militärs und Regierungsbeamte in Laos und Südvietnam - einschließlich 
        des Chefs des laotischen Generalstabes - in den Heroinschmuggel nach Vietnam 
        verwickelt sind. Mit Heroin werden 
        dem Untersuchungsbericht zufolge auch die südvietnamesischen Streitkräfte 
        versorgt. Bei südvietnamesischen Soldaten seien ebenfalls Entziehungssymptome 
        aufgetreten, wenn die Einheiten plötzlich verlegt wurden. Als Beispiel 
        führten die Kommissionsmitglieder die Südvietnamesische Invasion narh 
        Laos an. Die Einheiten seien so schnell umgruppiert worden, daß es unmöglich 
        gewesen sei, genügend Heroin zu beschaffen. Allein in Vietnam 
        nehmen 10 bis 15 Prozent der amerikanischen Soldaten Heroin. (FR v. 26. 5. 1971)  | 
  
M 17 Woher die Unmengen von Haschisch kommen, die in der BRD geraucht werden, darüber 
        stellt nebenstehender Teil eines Artikels Vermutungen an. (Überaus aufschlußreich 
        bezüglich der Herkunft, des Transportweges und der Transportmittel sind 
        auch folgende Veröffentlichungen: FAZ v. 7. 8.1971: Harry Hamm, Das Heroin-Geschäft 
        blüht [Demoralisierung der amerikanischen Armee durch Rauschgifte; Herkunft 
        von Opium und Heroin aus dem Grenzgebiet von Burma, Thailand und Laos; 
        Transport auf dem Landweg nach Vietnam; innenpolitische Auswirkungen des 
        Handels in Vietnam durch unterschiedliche Interessen der USA und verschiedener 
        Gruppen der Möchtegern-Kompradoren.]; FR v. 19. 10. 1971: Werner Holzer, 
        Wer Drogen nimmt, darf nicht nach Hause [Unzureichende klinische Versorgung 
        der Süchtigen in Vietnam, überreichliche und leichte Versorgung mit Heroin 
        sogar innerhalb der Stützpunkte; die Militärführung sieht die Rauschgiftsucht 
        als aus dem Zivilleben eingeschleppt an.]; FR v. 30. 10. 
        1971: 
        Christian Roll, 
        Rauschgifthandel mit prominenter Beteiligung [Hongkong ist das Zentrum 
        des Heroin- und Opiumhandels; Herkunft: wie oben bei Hamm; »Die laotisch-amerikanische 
        Zusammenarbeit beruht weitgehend auf dem Opium-Geschäft. (...)... und 
        mit Maschinen der von der CIA gecharterten ›Air America‹ wird das Rauschgift 
        . . ., manchmal direkt in die amerikanischen Militärbasen in Südvietnam 
        (geflogen).«] Mögen sich diese Berichte auch in Details widersprechen, 
        so können sie doch nur Frank Werners Vermutung bestärken. An dieser Stelle 
        könnte man auch versuchen - es kann hier nur erwähnt werden -, die ebenfalls 
        in der Auseinandersetzung um die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere 
        und in diesen selbst deutlich werdenden Interessengegensätze auf die zugrunde 
        liegenden Ursachen zurückzuführen.) Ein Interessengegensatz 
        zwischen Mafia und CIA auf der einen und den Herrschenden in der BRD auf 
        der anderen Seite besteht erst, wenn es um die Versorgung etwa Heroinsüchtiger 
        geht. Haschisch aber wirkt sich nicht negativ auf eine Kampfmoral aus, 
        jedenfalls nicht auf die die herrschenden Verhältnisse stützende. Damit 
        können nur Aggressionen, die potentiell gegen die Herrschenden gerichtet 
        sind, neutralisiert werden. Außerdem lassen sich nicht nur Hasch, sondern 
        auch alle mit ihm zusammenhängenden »Accessoires« wie Kochbücher, Pfeifen 
        u. ä. und die passende Musik auf Schallplatten gewinnbringend vermarkten. 
        (>Werbung, Bd. I, S. 112; Musik, Bd. I, S. 56)  | 
    M 17 (...) Selbst jene 
        mystisch überhöhte Drogenabhängigkeit blieb nicht vom Profitdenken cleverer, 
        freilich noch etwas skrupelloserer, Manager verschont. Nicht der von einer 
        Orient-Trampfahrt heimkehrende Student mit seinem 500-Gramm-Haschisch-Souvenir 
        vermag die derzeitige Nachfrage zu befriedigen. Für einen fast reibungslosen, 
        straff durchorganisierten Nachschub sorgen längst die Profis in diesem 
        Geschäft, Mafia oder Cosa Nostra. Der größte Teil 
        des in Deutschland zum Verkauf kommenden »Stoffes« ist mit Opium versetzt, 
        eine steigende Drogenabhängigkeit wird als umsatzfördernd bewußt in Kauf 
        genommen. Nichts kennzeichnet die tragische Situation besser als das nichtverstummende 
        Gerücht, der CIA selbst sei am florierenden Rauschgiftmarkt interessiert, 
        um den politischen Schwung der Jugend in Halluzinogenen zu ersticken. 
        Ein Konsumverhalten also auch hier, zu dessen, neben vielen 
      namenlosen, Opfern auch Janis Joplin oder Jimi 
        Hendrix gerechnet werden müssen. Ihr Tod wurde charismatisch verklärt 
        und glorifiziert. Natürlich verkaufen sich die Platten verstorbener Idole 
        eine Zeitlang noch recht gut. Man hat das bereits mit Buddy Holly und 
        Jim Reeves geprobt.
      (. .) (Frank Werner, 
        »Niemand kratze am heiligen Bild der Idole! Die Diktatur des Desiderats«, 
        in FR v. 3. 4. 1971)  | 
  
M 18 Das Interesse der Bundeswehrführung und des Wehrbeauftragten für das Phänomen 
        Haschisch in der Bundeswehr läßt sich nur durch starken Druck konservativer 
        Teile der herrschenden Klasse, die die »Zeichen der Zeit« noch nicht erkannt 
        haben, erklären. Dementsprechend schwach war die Reaktion des Wehrbeauftragten. 
        Eine gewisse Rechtfertigung bieten noch einige Unfälle unter Haschischeinfluß, 
        vergleicht man jedoch die Zahl der Verkehrsunfälle wegen Alkoholgenusses 
        mit der wegen anderer Rauschmittel, dürfte die Bedeutung des Haschischproblems 
        auch für die Bundeswehr genügend relativiert werden. (Wenn auch eine Befehlsverweigerung 
        und ein tödlicher Unfall auf Haschisch zurückzuführen sein sollen, so 
        dürfte doch die »positive« Seite des Rauschmittelkonsums - ob nun Haschisch 
        oder Alkohol - überwiegen: Aggressionen werden neutralisiert.)  | 
    M 18 (...) Durch 
        Meldungen über besondere Vorkommnisse, Presseberichte, Strafverfahren, 
        Disziplinarstrafen und parlamentarische Anfragen im Bundestag wurde die 
        Zunahme des Rausdimittelgenusses unter den Soldaten offenkundig. ... der Bundesminister der Verteidigung (war) der 
        Ansicht, daß der Rauschmittelmißbrauch in der Bundeswehr kein spezifisches 
        Problem der Streitkräfte und im übrigen die Situation in der Truppe nicht 
        besorgniserregend sei. (. . .) (Bericht des Wehrbeauftragten des Deutschen 
        Bundestages, in: Das Parlament, Nr. 18/197I, S. 11 )  | 
  
Die Zusammenhänge zwischen dem, was sich in Vietnam und zur gleichen Zeit 
        in den schwarzen Gettos ereignet, vergrößern die Zahl der Aggressionsabfuhrmöglichkeiten 
        für US-Soldaten. Zu der Aggression gegen in der gleichen Lage Befindliche, 
        veranlatßt oft durch Rassendiskriminierungen, der spontanen, unreflektierten, 
        individuellen Aggression gegen unmittelbare Vorgesetzte, oder (Siehe auch: 
        Eldridge Cleaver, The Black Man's Stake in Vietnam, in: Ders., Soul on 
        Ice, New York 1968 - deutsch: Seele auf Eis, München 1970, dtv 710. In 
        diesem Aufsatz wird detailliert der Zusammenhang zwischen dem Indochina-Krieg 
        und der Situation der Afroamerikaner in den USA dargelegt. - Zum Einsatz 
        der Nationalgarde und der Armee bei den Gettoaufständen im Sommer 1967 
        auch: Report of the National Advisory Commission on Civil Disorders, New 
        York 1968, Bantam Book QZ 4273, bes. S. 35 ff., 299 ff., 496 ff., 506 
        ff.)  | 
    (... ) Immer wieder hört man Reporterberichte aus Vietnam 
        über Bemerkungen schwarzer Soldaten, wie: »Jeden Morgen lese ich, was 
        sich bei mir zu Hause abspielt, und daß man Schwarze verfolgt und niederschießt. 
        Und für dieses Amerika soll ich hier kämpfen? Ich denke gar nicht daran.« 
        Daß die »Schwarzen Panther« und andere radikale Organisationen, wie etwa 
        die »Jungen
      Lords« der Puertorikaner, offene und von oben herab meist stillschweigend 
        geduldete Propaganda unter den farbigen Truppen in Vietnam betreiben, 
        versteht sich von selbst. (... ) (Heinz Pol, 
        Viele ziehen die Uniform gar nicht mehr an - Amerikanische Soldaten in 
        Vietnam zerstören die Moral einer ganzen Armee, in: FR v. 5. 12. 1970)  | 
  
M 20 (Eldridge Cleaver, Soul on Ice, New York 1968 [Delta Book Nr. 8163], S. 131 f.; deutsch: Seele auf Eis, München 1970, dtv 710)  | 
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M 21 / M 22 Von ihren persönlichen Problemen ausgehend beschäftigen sie sich zunächst 
        genauer mit ihrer Situation innerhalb der Armee. Dabei wird offensichtlich, 
        daß Afroamerikaner in den höheren Rängen unterrepräsentiert sind und bleiben 
        werden, während doch ihr Anteil an den Toten und Verwundeten des Vietnamkriegs 
        überproportional hoch ist. Das Phänomen, 
        daß dennoch der Prozentsatz derer, die sidi ein weiteres oder drittes 
        Mal für zwei oder mehr Jahre verpflichten, bei den Schwarzen dreimal so 
        groß ist wie bei den übrigen GIs, wird durdi die wirtschaftlichen Verhältnisse, 
        denen nicht nur Vietnam-Heimkehrer, sondern alle aus der Armee Entlassenen gegenüberstehen, hinreichend erklärt. Die Armee, die schon bisher für anpassungswillige Schwarze größere Chancen 
        für eine Karriere bot, als irgendein ziviler Sektor, wird für alle Afroamerikaner 
        mehr und mehr zur einzigen Möglichkeit, einen passablen Lebensstandard 
        zu erreichen. Diese Perspektive, nämlich die »freie Wahl« zwischen Elend 
        im Getto (Familie/Schule) und direkter Unterdrückung und Lebensgefahr 
        im Militär, veranlaßt viele GIs, sich mit diesen gesellschaftlichen Phänomenen 
        und dem historischen Prozeß, dessen Ergebnis sie sind, zu beschäftigen.  | 
    M 21 In March, 1968, 312,000 or 9 % of the men serving in the Armed Forces were 
        Negro. Negroes represented 2 % of all officers. In September, Frederick 
        E. Davison was made a Brigadier General in the Army. He was the third 
        Negro to be made a general in the Armed Forces. According to 
        Pentagon figures, Negroes made up 9.8 % of the servicemen in Vietnam, 
        20 % of combat troops, 25 % of elite units such as paratroopers, and 14.1 
        % of those killed in action. The number of Negroes on draft boards 
        ... still constitute(s) less than 5 % of the total members. (... ) There were 22 Negroes in the US Military 
        Academy, 15 Negroes in the US Naval Academy, and 6 Negroes in the US Air 
        Force Academy. The reenlistment rate of Negroes in the Army was three times that of whites. 
        (Peter M. Bergmann, The Chronological History of the Negro, New York 1969, 
        S. 613)  | 
  
M 22 1962: Percentages of Negroes as officers and enlisted men for each military 
        service were: Army: officers, 3.2 %, enlisted men, 12.2 %. Air Force: 
        officers, 1.2 %, enlisted personnel, 9.2 %. Navy: officers, 0.3 %, enlistet personnel, 
        5.2 %, Marines: officers, 0.2 %, enlisted personnel, 7.6 °/o. (Peter M. Bergmann, a. a. O., S. 576.)  | 
  |
M 23 Wenn die Schlacht in Vietnam beendet ist, beginnt zu Hause ein neuer Kampf 
        in Zivil. Amerikas jüngste Veteranen werden nicht wie einst ihre Vorgänger 
        in zwei Weltkriegen mit Pauken und Trompeten vom Heimatland begrüßt. Sie 
        werden mit einer Situation konfrontiert, die für sie ernüchternd und bitter 
        ist. Denn die US-Nation, von Inflation und Kriegsausgaben geplagt, hat 
        ihren Kriegshelden nicht mehr zu bieten als denen, die zu Hause geblieben 
        waren: einen angespannten Arbeitsmarkt, der in manchen Gegenden der USA 
        oft gar keine Chancen zu bieten vermag. Derzeit liegt die Arbeitslosenrate 
        für Zivilisten bei 5,8 Prozent. Von den heimgekehrten Vietnam-Soldaten 
        sind hingegen 9,4 Prozent ohne Arbeit. (... ) Früher war das 
        anders. Nach dem ersten und dem zweiten Weltkrieg, auch nach Korea, wurde 
        der amerikanische Vaterlandsverteidiger bevorzugt ins Arbeitsleben wieder 
        eingegliedert. Doch heute sind die Vorurteile gegen ihn groß. Dieser Krieg 
        ist unpopulär. Und unpopulär ist auch der GI, der ihn führt. Vorfälle 
        wie das Massaker von My Lai haben der Soldatenehre Abbruch getan. Man 
        liest von der weitverbreiteten Rauschgiftsucht im Feld. Schließlich: das 
        Heer der zwischen eineinhalb und zwei Millionen Veteranen besteht zum 
        Großteil aus ungelernten Arbeitskräften. Denn viele von ihnen sind gleich 
        nach der Schule in den Krieg gezogen. Viele haben nie einen richtigen 
        Beruf ausgeübt. (... ) Zwar hat Präsident 
        Nixon im vergangenen Jahr zu einer Kampagne - »Jobs für die Veteranen« 
        - aufgerufen. Doch das Ergebnis ist mager. Ein Beispiel: In Kalifornien 
        wurden 800 Geschäftsleute, Bürgermeister, führende Angestellte von Städten 
        zu einem Seminar eingeladen, das die Arbeitsnöte der Veteranen diskutieren 
        sollte. Nur zwei potentielle Arbeitgeber kamen, nur drei ließen sich aus 
        Zeitgründen entschuldigen. (... ) »Sie fürchten, 
        Rauschgiftsüchtige in ihre Betriebe einzuführen«, erklärte ein Angestellter 
        im New Yorker Arbeitsvermittlungsbüro die negative Haltung von Arbeitgebern 
        den Veteranen aus Indochina gegenüber. Staatliche und städtische Sie haben noch 
        einen großen Nachteil: Sie sind noch so jung, oft viel zu jung. Früher 
        gingen viele Veteranen an die Universitäten zurück. Der Staat half dabei. 
        Der Staat hilft immer noch, doch mit wesentlich weniger Mitteln (... ) Manche Studenten 
        haben auch Angst, nach der »Institution der Armee« in die »Institution 
        der Universität« zu geraten. (... ) Die Zahl der arbeitslosen schwarzen 
        Veteranen ist doppelt so groß wie die Zahl der arbeitslosen weißen Veteranen. 
        (... ) ... ohne Hoffnung schließen manche sich anarchistischen Gruppen 
        an - oder sie werden aktive Kriegsgegner. Der massive Gesinnungswandel 
        wird in Kürze deutlich zu sehen sein: Einige tausend »Vietnamveteranen 
        gegen den Krieg« haben für Mitte April ihre Teilnahme bei einem Marsch 
        nach Washington angekündigt. (Monika Metzner, 
        Keine Chancen für Vietnam-Heimkehrer, in: FR v. 11. 4. 1971)  | 
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 M 24 Das kann zu folgenden Erkenntnissen 
        führen: 1. Wie das Reservoir an afroamerikanischen Menschen genutzt wurde, war stets 
        bestimmt von zwei konfligierenden Gesichtspunkten: a) Um gegen den Feind 
        bestehen zu können oder um Lücken in den eigenen Reihen aufzufüllen, war 
        es nötig, Schwarze in die Armee aufzunehmen. b) Es bestand die Gefahr, 
        daß die Afroamerikaner sich nicht mehr wie bisher unterdrücken ließen, 
        wenn sie ihre »patriotische Pflicht« erfüllt und sich »bewährt« hatten, 
        und wenn sie, sich dessen bewußt, daraufhin die Ideale, für die sie - 
        angeblich - gekämpft hatten, auch auf sich selbst angewandt wissen wollten. 
        Zudem war es nicht auszuschließen, daß die Afroamerikaner die während 
        ihrer Militärzeit erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Gewaltanwendung 
        im Kampf für ihre Rechte nutzen würden. 2. Daraus ergaben 
        sich für die »Ausschöpfung« dieses »Reservoirs« folgende Bedingungen: 
        a) Um zu verhindern, daß es nach Kriegsende zu gewaltsamen Aufständen 
        der Farbigen kam, wurden diese so lange wie nur irgend möglich in den 
        Bereichen des Nachschubs oder anderer Dienstleistungen eingesetzt, also 
        von Kampfhandlungen ferngehalten. Von dieser Regel wurde nur abgewichen, 
        wenn die Kampftruppen sehr knapp waren oder es wegen sozialpsychologischer 
        Wirkungen auf die weiße Bevölkerung oder aber auch infolge eines starken 
        Drucks seitens der schwarzen Mittelschicht geboten war. b) War der militärische 
        Konflikt beendet, so wurden die schwarzen Soldaten schnellstmöglich entlassen. 3. Dennoch sahen sich die Herrschenden genötigt, nach solchen 
        Konflikten, in 4. Verbesserungen 
        der Situation der Schwarzen in der Armee erfolgten nur, um auftauchende 
        Probleme - vor allem solche der Kampfmoral der Schwarzen - zu lösen, oder 
        weil solche Reformen zur Rationalisierung und Effektivitätssteigerung 
        bei der Erfüllung militärischer Aufgaben - z. B. in der Ausbildung von 
        Rekruten - dienten. Die Aufhebung der Rassentrennung innerhalb der Streitkräfte 
        in der Form der Bildung gemischter Einheiten hatte zudem den Effekt, daß 
        die Konzentration Schwarzer in bestimmten Einheiten, die während des besonders 
        heftigen Kampfes der Bürgerrechtsbewegung in den 50er und 60er Jahren 
        systemgefährdende Konsequenzen hätte haben können, nicht mehr bestand 
        als sie den Interessen der Afroamerikaner dienlich gewesen wäre: die Bombe 
        war entschärft, bevor sich der Sprengsatz ganz seiner Sprengkraft hatte 
        bewußt werden können. S. Seit Ende 
        des zweiten Weltkriegs und mehr noch seit dem Koreakrieg wird die Tendenz 
        deutlich, Afroamerika als Soldaten zu rekrutieren, während sich die soziale 
        Lage der Afroamerikaner in den USA verschlechtert und der Kampf um die 
        Bürgerrechte immer heftiger geführt wird. Infolge dieser Rekrutierungsstrategie 
        vergrößerte sich einerseits die Zahl schwarzer Soldaten, während andererseits 
        vor allem unter den besser ausgebildeten Schwarzen des Nordens - die im 
        zweiten Weltkrieg noch auf Bestätigung als Menschen, Bürger und Männer 
        gedrängt hatten - die Abneigung gegen die Armee und besonders gegen die 
        Teilnahme am Vietnamkrieg wuchs. Die Unmöglichkeit, Emanzipation durch 
        Bewährung im Militärdienst zu erreichen, war weithin bewußt geworden. 
        (Zur Situation der Afroamerikaner in der Armee seit der Kolonialzeit: 
        Brandes/Burke, a. a. O., bes. S. 13 ff., 38 ff. und 53 ff.; brauchbare 
        Informationen finden sich auch in den im Anschluß an M 24 angegebenen 
        Quellen.) 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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    M 24 1937 waren 6700 
        oder 1,8 %der amerikanischen Streitkräfte (Armee und Narionalgarde) schwarz. »Obwohl die Segregation weder in der 
        Industrie noch im öffentlichen Leben beseitigt war, fiel es der amerikanischen 
        Bourgeoisie auch dieses Mal wieder leicht, die Schwarzen für ihren Krieg 
        zu gewinnen. (... ) Der amerikanischen Regierung fiel es trotz ihres Desinteresses 
        an einer ernsthaften Bekämpfung des Rassismus in den USA leicht, den Rassendchauvinismus 
        des Gegners für ihre eigenen Ziele auszunutzen. (...) So konnte die US-Regierung 
        dem schwarzen Amerika einreden, daß das Land nach dem japanischen Überfall 
        auf Pearl Harbour 1941 in einen Krieg zur Verteidigung der Demokratie 
        und der Freiheit zog. Daß die Segregation in der Armee, die erst 1948 
        durch Präsident Truman offiziell aufgehoben wurde, kaum weniger scharf 
        als im ersten Weltkrieg war, verhinderte nicht die Loyalität der meisten 
        schwarzen Soldaten.« (Volkhard Brandes und Joyce Burke, 
        USA - Vom Rassenkampf zum Klassenkampf, München 1970 [dtv report 669], 
        S. 68 f.) Von den fast 
        500 000 Afroamerikanern in der Armee wurden weniger als 54 000 in Übersee 
        eingesetzt. Sie machten jetzt 9,53 % der Armee, aber nur 5,61 % der Truppen 
        in Übersee aus. Man fürchtete angeblich, sie seien dort unwillkommen, 
        und die amerikanischen Befehlshaber in Übersee lehnten die Zuteilung 
        schwarzer Soldaten ab, da sie sie für unzuverlässig hielten. 1943 
        gab es bereits 
        700 000 afroamerikanische Soldaten. Als Ende 1944 ein Mangel an Infanteriesoldaten 
        in Europa bestand, wurde auch auf schwarze Soldaten zurückgegriffen. In 
        dieser Notsituation wurden die ersten integrierten Einheiten gebildet. 
        Im Kriegseinsatz gab es keine Rassendiskriminierungen und die 2500 eingesetzten 
        Schwarzen »bewährten« 
        sich. »Wiederum zogen schwarze Amerikaner 
        mit der Hoffnung in den Krieg, nicht nur die Demokratie gegen ein feindliches 
        Ausland zu verteidigen, sondern endlich im Inneren zu verwirklichen. Aber 
        auch dieser Krieg löste die sozialen, ökonomischen und politischen Probleme 
        des schwarzen Amerika nicht. Obwohl sich alle bedeutenderen Organisationen 
        hinter die Regierung stellten und ihre Anhänger aufforderten, sich für 
        die Kriegsdauer jeden Protestes zu enthalten, kam es wiederholt zu wilden 
        Streiks und sozialen Unruhen. 1943 konnte eine Rebellion in Harlem nur 
        blutig unterdrückt werden. Am Ende des Krieges zeigte sich, daß 
        es auch dieses Mal keine durchgreifenden Verbesserungen der Lage des Negers 
        geben würde. Im Süden flammte die Lynchjustiz wieder auf. Im Juli und 
        August 1946 wurden nicht weniger als sechs Kriegsheimkehrer von weißen 
        Mobs gelyncht.. (Brandes/Burke, a. a. O., S. 69 f.) Erst 1950 wurde 
        das Quotensystem, das nur einen dem Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprechenden 
        Prozentsatz von Schwarzen in den Streitkräften zuließ, abgeschafft. Man 
        fing an, die ersten Ausbildungslager zu integrieren, weil man erkannt 
        hatte, daß dies effektiver war, und auch weil es half, Probleme der Kampfmoral 
        der Schwarzen zu lösen. Sie konnten nun eine Ausbildung bekommen und in 
        Tätigkeitsbereichen arbeiten, die ihnen bisher vorenthalten waren. Der Korea-Krieg brachte oft Sofort-Integration, 
        da Menschenmaterial gebraucht wurde. 19 5 3 gab es fast 
        keine rein schwarzen Einheiten mehr. Während des 
        Übergangs gab es keine Schwierigkeiten, die »Effektivität« wurde 
        erhöht, »Disziplin-Probleme« verringert, die »Moral« verbessert. Prozentual 
        nahm sowohl die Zahl der schwarzen Soldaten als auch die der schwarzen 
        Offiziere in allen Waffengattungen zu. Dennoch zeigen diese Prozentzahlen, 
        wie benachteiligt Schwarze sind, die Offiziere werden wollen. Die Vertretung 
        der Schwarzen in Militärakademien ist nur symbolisch. Einige Ausbildungslehrgänge 
        und Einheiten der Nationalgarde sind immer noch unzugänglich für Schwarze. 1962 kümmerte 
        man sich das erste Mal um die Diskriminierung »off-post«, d. h. in den 
        Gemeinden um Armee-Stützpunkte in den Südstaaten. Zum Bürgerrechtsgesetz 
        1964 gab der Verteidigungsminister eine Erklärung ab, aus der deutlich 
        hervorging, daß sich die Administration der Widersprüche zwischen den 
        vorgebGchen Aufgaben der Armee, nämlich die amerikanische Demokratie zu 
        verteidigen, und der Lage der Afroamerikaner in dieser Armee bewußt, und 
        die Kampfmoral durch entsprechende Reformen zu erhalten bestrebt war. 
        Das war um so vordringlicher, als - entsprechend der Entwicklung in militärischen 
        Organisationen, die abhängig von der Weiterentwicklung der Waffentechnologie 
        ist (vgl. Wido Mosen, Eine Militärsoziologie, Neuwied 1967, bes. S. 23) 
        - imJahre 1962 im Vergleich zu 1945 von allen weißen Soldaten prozentual 
        nur noch halb so viele in Kampfeinheiten eingesetzt waren (überproportionale 
        Vergrößerung der Dienstleistungseinheiten), während von allen afroamerikanisdien 
        Soldaten 1962 prozentual dreimal so viel als 1945 in Kampfeinheiten waren. 
        Verglichen mit 1945, hat sich also die Möglichkeit der Schwarzen, 
        zu kämpfen, im Verhältnis zu den übrigen Soldaten versechsfadit. (Zusammengestellt aus: Brandes/Burke, a. a. O., John P. Davis, The Negro in the Armed Forces of America, in: Ders., [Hrsg.], The American Negro Reference Book, Englewood Cliffs, NJ. 1966; Charles C. Moscos Jr., Racial Integration in the Armed Forces, in: The American Journal of Sociology, 2/1966, S. 132 ff.)  | 
  
M 
        25 / M 26 / M 27 Die schwarzen GIs beginnen, die Konsequenzen zu ziehen. Das nunmehr gerade 
        zwanzig Jahre alte Experiment mit der Rassenintegration in der Armee scheint 
        die schon immer befürchteten Folgen, die Verstärkung des Emanzipationskampfes 
        der Afroamerikaner, zu zeitigen. So waren viele der Afroamerikaner, die 
        als erste für bewaffnete Selbstverteidigung eintraten, Veteranen des zweiten 
        Weltkrieges bzw. des Koreakrieges. Die Aggressionen, die bisher gegen 
        einen äußeren Feind umgelenkt worden waren, richteten sich in mehr und 
        mehr gegen die Unterdrücker selbst. Die Rassenintegration in der Armee hatte eine weitere Konsequenz: das, was in segregierten Einheiten allein als Rassismus der weißen Vorgesetzten gelten mußte, wird bei Integration als charakteristisch für die spezifische Unterdrückung des Soldaten erfahren. Durch die prinzipiell unterschiedslose Ausübung von Herrschaft in der Armee und unter Berücksichtigung der ähnlichen Situation im Ausbeutungszusammenhang nach der Entlassung aus der Armee (vgl. M 23), kann deutlich werden, daß die Konflikte nicht in erster Linie Rassenkonflikte sind, sondern es sich um Klassenkonflikte handelt - die sich im Interessengegensatz von Offizieren und einfachen Soldaten, besonders den Offizieren und Wehrpflichtigen, reproduzieren. Die Interessenidentität der Soldaten untereinander, die vielleicht auch in der positiveren Einstellung zur Integration bei weißen und schwarzen Soldaten in integrierten Einheiten als bei denen in segregierten Einheiten zum Ausdruck kommt, kann zwar fest verwurzelte Vorurteile nicht beseitigen, wohl aber zumindest deren Intensität und Wirkungen mildern. Trotz der stärkeren Unterdrückung der Afroamerikaner in der Armee und der Vorurteile weißer Soldaten können die Afroamerikaner durch die Einbeziehung ihrer individuellen Erfahrungen in die Beurteilung der sozialgeschichtlichen und -strukturellen Bedingungen ihrer Situation erkennen, daß ihre Emanzipation nicht durch Reformen der Rassenbeziehungen« Die GIs arbeiten 
        in dem gesellschaftlichen Bereich, in dem sie sich augenblicklich befinden: 
        in der Armee. Voraussetzung zu grundlegenden Änderungen ist der Aufbau 
        von Gegenmachtpositionen, die es ihnen ermöglichen, sich besonders auf 
        die Rückkehr in die USA vorzubereiten. Ausgehend von ihren Erfahrungen 
        setzen sie an bei den alltäglichen Problemen der Soldaten, die sie im 
        allgemeinen in den über 60 (davon ca. 12 in der BRD) selbstgedruckten 
        Zeitungen, deren Publizität schon eine wenn auch kleine Gegenmachtposition 
        darstellt, aufgreifen und in ihren Bedingungszusammenhang stellen, also 
        als politische begreifen. Vgl. auch M 13 / M 14 / M 15/ M 39 / M 40. Genauere 
        Informationen über die Zielvorstellungen von zwei der GI-Zeitungen und 
        deren Versuche, diese Ziele zu erreichen, sind erhältlich bei: The Next 
        Step, c/o W. Jakob, 6 Frankfurt, Rohrbachstr. 18, und Voice of the Lumpen, 
        c/o Black Panther Solidarity Committee, 6 Frankfurt, Jügelstraße.)  | 
    M 25 
 Man schickt Schwarze nach Vietnam, man schickt Weiße aus der Arbeiterklasse 
        nach Vietnam und bringt ihnen bei, ein Gewehr in die Hand zu nehmen und 
        Gewalttätigkeiten zu begehen. Und wenn sie dann nach Amerika zurückkommen 
        und sehen, daß es dort nicht stimmt, dann versuchen sie das zu ändern, 
        mit den Werkzeugen, deren Gebrauch man ihnen beigebracht hat, also mit 
        Gewalt. (...) Wir haben den 
        Vorteil, den Feind zu kennen. Wir kennen die militärischen (...) (Claudia Wolff 
        und Horst Taubmann, Join in the fight - Die schwarzen Soldaten der US-Army 
        in Westdeutschland. Sendung des Westdeutschen Rundfunks, 3. Programm, 
        12. 11. 1971, 21.15 - 22 Uhr. Manuskript S. 34 f.) M 26 (...) Der wachsende innere Widerstand, der sich in diesen Blättern (Soldatenzeitungen, 
        Anm. d. Verf.) dokumentiert, hat die deutschen Gruppen, die schon früher 
        mit Dissenters in der Armee zusammengearbeitet haben, veranlaßt, ihre 
        Strategie zu ändern. Ihre Kampagnen zielen nicht mehr auf Desertion. K. D. Wolff, Sprecher des Black-Panther-Solidaritätskomitees in Frankfurt: 
        »Hilfe für Desertion wird nur noch in Notfällen gegeben, wenn Genossen 
        schnell nach Vietnam abtransportiert werden sollen oder ähnliches. Wir 
        sind der Meinung, daß der unzufriedene GI, aber auch der unzufriedene 
        Soldat in der Bundeswehr, viel mehr an politischer Aufklärung und an Organisierung 
        leisten kann, wenn er seine Unzufriedenheit seinen Kameraden und Kollegen 
        mitteilt und vermittelt, anstatt daß er als Unzufriedener, der schon alles 
        weiß, einfach das Weite sucht. Das ist besonders die beste Taktik in einer 
        Situation, wo ja in der Bundesrepublik keine direkte Gefahr für Leib und 
        Leben gewöhnlich besteht. (Wolff/Taubmann, a. a. O., S. 30 f.) M 27  (...) Eines der wichtigsten 
        GI-Blätter in Deutschland, THE NEXT STEP, wird in Frankfurt von einer 
        Gruppe weißer und schwarzer GIs und Zivilamerikaner gemacht und an mehreren 
        Stationierungsorten in der Bundesrepublik verteilt. THE NEXT STEP - die 
        erste Nummer erschien zur Heidelberger Rally am 4. Juli - versucht, ein 
        Verbindungsorgan zwischen den verschiedenen Oppositionsgruppen in Deutschland 
        zu werden und deren Protest, wo er nur punktuell scheint, durch historische, 
        soziologische und ökonomische Analysen der heutigen Situation in Amerika 
        zu fundieren und ihm eine sozialistische Perspektive zu geben. Zitat aus dem Next-Step Editorial »Where 
        we stand«: Die Probleme Amerikas werden nicht zu lösen sein, bevor nicht 
        der herrschenden Minderheit die Verfügung über die Produktivkräfte entrissen 
        und diese Verfügungsgewalt in die Hände des arbeitenden Volkes gelegt 
        wird. Wir glauben, daß das wirkliche Problem dieser Armee nicht darin 
        liegt, daß es in ihr Rassismus gibt oder Schikanen oder diese oder jene 
        Ungerechtigkeit - diese Armee ist ein Problem, weil sie gegen dieLebensinteressen 
        der Menschen eingesetzt wird, die gezwungen sind, in ihr zu dienen. Nur 
        der kollektive Kampf der amerikanischen Arbeiter, der Schwarzen und Weißen, 
        kann erreichen, daß diese Armee aus allen Ländern der Welt abgezogen wird, 
        daß ihre jetzige Führung abgesetzt wird und daß ihre Waffen in den Dienst 
        einer einigen Arbeiterklasse gestellt werden mit dem Ziel, den heute Herrschenden 
        die Herrschaft über diese Gesellschaft zu entreißen. (Wolff/Taubmann, 
        a. a. O., S. 29 f.)  | 
  
M 28 Die Treffen 
        von schwarzen und auch weißen GIs dienen dazu, der Bewegung und ihren 
        Zielen eine größere Publizität zu verschaffen und bei weiteren GIs Interesse 
        und Engagement zu wecken.  | 
    M 
        28 (Forderungen 
        einer Rally von 800 schwarzen GIs aus verschiedenen Stationierungsorten 
        am 4. 7. 1970 in Heidelberg. Anm. d. Verf.): Sofortige Untersuchung 
        der Zustände im Mannheimer Militärgefängnis, das zeitweise mit 6o bis 
        80 % Schwarzen und Puertorikanern belegt ist (vgl. M 12) - obwohl die 
        Schwarzen nur mit 12 % in den USAREUR1-Truppen vertreten sind 
        - Abschaffung der notorischen Diskriminierung der Schwarzen bei Beförderungen 
        - mehr sogenannte zivile Stellen für Schwarze - College-Vorbereitungskurse 
        für GIs, die nach Amerika zurückgehen - angemessene Wohnmöglichkeiten 
        auch für verheiratete schwarze Soldaten - und so weiter. Was die Heidelberger 
        Rally zu einer politischen Veranstaltung gemacht hatte, wurde in Overseas 
        Weekly2 nicht mitgeteilt: Die Forderung nämlich nach sofortigem 
        Abzug aller amerikanischen Truppen aus Südostasien, nach Rückzug aller 
        amerikanischen Kapitalinteressen aus afrikanischen Ländern. Der Oberkommandierende 
        der NATO-Heeresgruppe Europa Mitte, General James H. Polk, wurde mehrfach 
        gebeten, sich der Heidelberger Versammlung zu stellen. Er antwortete damit, 
        daß er seine Maßnahmen traf. (. . .) {Wolff/Taubmann, a. a. O., S. 12 f.; 
        Anmerkungen: 1: United States Army Europe. 2: Eine in Deutschland erscheinende 
        Wochenzeitung für Amerikaner)  | 
  
M 29 / M 30 / M 31 / M 32 Die militärische 
        Führung reagiert auf diese politischen Aktivitäten nicht nur durch Bereitstellen 
        von Militärpolizei. Die direkte Drohung mit brutaler Unterdrückung kann 
        nur kurzfristig wirken; sie muß ergänzt werden durch langfristige systemstabilisierende 
        Reformprojekte, die das »Rassenproblem«  | 
    M 29 (...) Heidelberger 
        UBS-Leute berichten: »Am 4. Juli waren wir in der Stadt, in der Heidelberger 
        Universität zu unserer Rally, und die Heidelberger Universität ist eine 
        weltberühmte Universität, und unsere Rally, es waren fast 1000 GIs gekommen, 
        war eine gewaltlose, ganz friedliche Versammlung. Und da hatten sie »Und nicht 
        nur das: sie hatten auch außerhalb von Heidelberg Abteilungen zusammengezogen, 
        weil sie dachten, es käme zu gewaltsamen Aktionen. So hysterisch reagieren 
        die Pigs auf alles, was die Schwarzen unternehmen.« (Wolff/Taubmann, a. 
        a. O., S. 13 f.)  | 
  
M 30 Rassenkonflikte unter amerikanischen 
        Soldaten in Europa Nixon schickt 
        Untersuchungskommission auch in die Bundesrepublik/Ku-KluxKlan und Black 
        Panthers rmc. FRANKFURT, 
        6. September. Präsident Nixon schickt in diesem Monat eine Untersuchungskommission 
        zu den in Europa stationierten amerikanischen Streitkräften. Ihre Aufgabe 
        wird es sein, die zunehmend zwischen weißen und dunkelhäutigen Soldaten 
        auftretenden Rassenspannungen zu studieren. Nach Aufenthalten in amerikanischen 
        Truppenunterkünften in Großbritannien, Spanien und Italien wird die Gruppe 
        aus dem Weißen Haus Einrichtungen der amerikanischen Armee in der Bundesrepublik 
        besuchen. (... ) Als Ergebnis 
        der Untersuchung erwartet Nixon einen umfassenden Bericht und Vorschläge, 
        wie der wachsenden Konfrontation zwischen den Rassen begegnet werden kann, 
        die indessen ihren Ursprung kaum in der spezifischen Atmosphäre militärischer 
        Verhältnisse, sondern vielmehr im gesellschaftlichen Konflikt in den Vereinigten 
        Staaten überhaupt haben. Nach Washington sind jedoch nicht nur Berichte 
        über Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Armeeangehörigen der beiden 
        Rassen gelangt, es soll in amerikanischen Truppenteilen auch Konflikte 
        zwischen organisierten Gruppen geben. Besonders erwähnt wurden vom Weißen 
        Haus Unternehmungen des »Ku-Klux-Klan« und der »Black Panther«. Auf diese 
        Aktivitäten soll die Kommission besonders achten und herausfinden, ob 
        diese radikalen Gruppen einflußreich sind und weiter wachsen. Berichten 
        aus Washington zufolge hat die Negerorganisation der »Black Panther« in 
        Paris ihr europäisches Hauptquartier. Obwohl die Vereinigten Staaten in 
        Frankreich keine Militärstützpunkte mehr besitzen, vermutet man im Weißen 
        Haus trotzdem einen starken Einfluß von Paris aus auf amerikanische Einheiten 
        in den anderen europäischen Ländern. Die aus zwei 
        Farbigen und zwei Weißen bestehende Kommission soll weiße und farbige 
        Soldaten einzeln und in Gruppen befragen. Dabei sollen Offiziere, besonders 
        direkte Vorgesetzte, nicht anwesend sein. Ihre Untersuchungen will die 
        Regierungskommission nicht auf Fragen des Zusammenlebens in den Kasernen 
        beschränken; sie will sich auch nach den Schwierigkeiten erkundigen, die 
        sich aus (FAZ v. 7. 9. 1970) (Eine Zusammenfassung 
        des Berichtes dieser Kommission wurde in der FR vom 8. 2. 1971 auf Seite 
        16 unter dem Titel »Entfremdung und Rebellion: Farbige in der US-Armee« 
        abgedruckt.)  | 
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M 31 Rassendiskriminierung in Deutschland Beschwerde farbiger amerikanischer 
        Soldaten über Vermieter. WASHINGTON, 23. April (AP). 25 000 farbige GIs der amerikanischen Stationierungstruppen 
        in der Bundesrepublik fühlen sich durch deutsche Hausbesitzer und Vermieter 
        aufs äußerste diskriminiert, weil ihnen bei der Wohnungssuche außerhalb 
        des Kasernengeländes die kalte Schulter gezeigt wird. Die Nationale Vereinigung 
        zur Förderung farbiger Amerikaner (NAACP) in Washington hat am Freitag 
        nach Rücksprache mit Verteidigungsminister Laird die amerikanische Regierung 
        aufgefordert, die Diskriminierung der farbigen amerikanischen Soldaten 
        bei der Bundesregierung zur Sprache zu bringen. (... ) In einem 55 Seiten langen, 
        auf wochenlangen Befragungen farbiger amerikanischer Soldaten in der Bundesrepublik 
        fußenden Bericht heißt es, die Betroffenen betrachteten Deutschland als 
        ein unfreundliches Land und fragten sich, warum sie in der Bundesrepublik 
        stünden. Es gebe zwar auch in der Militärgerichtsbarkeit und in der amerikanischen 
        Armee und Luftwaffe Probleme der Diskriminierung Farbiger, aber die Frage 
        der Wohnraumbeschaffung in der Bundesrepublik sei wohl die schwerwiegendste, 
        die einer dringenden Lösung bedürfe, weil sie von den farbigen Amerikanern 
        als Konfrontation empfunden werde. Nur wenn die Regierung in Washington 
        sich der Angelegenheit annehme und sie im Sinn einer Beseitigung der Diskriminierung 
        löse, könne der Glaube der Farbigen in die Gerechtigkeit des »american 
        way of life« wiederhergestellt werden. Auf Grund der 
        amtlichen Untersuchung der Beschwerden farbiger GIs hatte das Pentagon 
        die Truppenkommandeure ermächtigt, Häuser deutscher Vermieter und Hausbesitzer, 
        die Farbige diskriminieren, zu boykottieren. Da sich die Situation seither 
        eher verschlechtert als gebessert habe, unternahm die Schutzorganisation 
        der farbigen Amerikaner jetzt ihren Vorstoß. (FAZ v. 24. 4. 1971)  | 
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M 32 Unter der paternalistischen 
        Kontrolle der »liberalen weißen Freunde« begann die NAACP den Kampf um 
        Bürgerrechte. Sie übernahm die Verteidigung schwarzer Angeklagter vor 
        rassistischen weißen Gerichtshöfen, brachte verschiedene Fälle sogar vor 
        das Oberste Bundesgericht, betrieb intensive Aufklärung über Rassendiskriminierung und Lynchjustiz und führte den Kampf um das Wahlrecht 
        für Neger. Sie galt als radikal und extrem. Aber als der schwarze Widerstand 
        fünfzig Jahre später an Entschlossenheit zunahm, stand die NAACP mit ihren 
        Aktivitäten am konservativen Flügel der Bürgerrechtsbewegung - ein Zeichen, 
        wie sehr sich die Lage zugunsten des schwarzen Amerika zu verschieben 
        begann. (. . .) ... Abhängigkeit von weißen Geldquellen und ihrer Vorstellung, 
        Arbeiter und Kapitalisten ungeachtet der zwischen ihnen bestehenden Klassenunterschiede 
        zusammenbringen zu können. Wie die NAACP war die »Urban League« eine Organisation der schwarzen Mittelklasse, deren ökonomische und soziale 
        Interessen sie reflektierte.  | 
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M 33 Seit die »Rassenprobleme« 
        nicht mehr nach dem Motto »divide et impera« ausgenutzt werden können 
        und die Betroffenen drohen, deren tatsächliche soziale Ursachen zu beseitigen, 
        entwickeln Regierung und NAACP ein außerordentlich eifriges Interesse 
        an ihnen. Was Sam Barry 
        von UBS (Unsatisfied Black Soldiers) Heidelberg über die Regierungskommission 
        sagt, gilt auch für die Kommission der NAACP, deren Zielsetzung (s. M 
        31) eindeutig belegt, wessen Interessen sie dient.  | 
    M33 (... ) Sam 
        Berry (... ) Wir sagen, eine Untersuchungskommission wie diese ist eine 
        Farce, nichts als ein Ablenkungsmanöver Nixons gegenüber der Öffentlichkeit. 
        Wir sagen, daß bei diesen Untersuchungskommissionen niemals etwas herauskommt, 
        bei diesen Seminaren und Studiengruppen, diesen human-human-relations-Sitzungen, 
        dieser Tag-der-offenen-Tür-Masche - wir sagen, da kommt nie etwas dabei 
        heraus, weil sie nie zum Kern der Sache vorstoßen... (Wolff/Taubmann, a. a. O., S. 18)  | 
  
M 
        34 / M 35 / M 36 Diese nunmehr 
        eingeleiteten Reformen sind nicht geeignet, die Ursachen der »Spannungen« 
        zu beseitigen. Es wird an völlig von ihren gesellschaftlichen Voraussetzungen 
        losgelösten Symptomen herumgebastelt (s. M 23) oder man versucht - etwa 
        durch Solderhöhungen oder das Aufstellen von Bierautomaten in den Kasernen, 
        in denen bisher jeder Alkoholkonsum verboten war (Vgl. Heinz Pol, Erstklassige 
        Soldaten sind sie nicht mehr, in: FR v. 22. 9.. 1971) - den 
        Soldaten die Möglichkeit zu geben, die erlittenen Frustrationen auf »konventionelle« 
        Weise (ohne Gefährdung der Reformkonzeptionen, die Position der »Reformer« 
        vielmehr stärkend) zu kompensieren: durch »Saufen« und erhöhte Konsumchancen 
        ( Werbung, Bd. I, S. 108 f.).  | 
    M 34 Repräsentantenhaus bewilligt Solderhöhung WASHINGTON, 
        2. April (UPI). Das amerikanische Repräsentantenhaus hat die bisher größte 
        Solderhöhung für die Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte als Vorstufe 
        zu einer Freiwilligenarmee beschlossen. Es bewilligte 2,7 Milliarden Dollar 
        im Jahr und gesteht damit den Soldaten dreimal mehr zu, als Präsident 
        Nixon beantragt hatte. Das Gesetz verlängerte die Wehrpflicht bis Mitte 
        1973. (FAZ v. 3. 4. 1971)  | 
  
M 35 Rassenkurse für US-Soldaten WASHINGTON, 
        2. April (UPI). Das amerikanische Repräsentantenhaus hat in 
        Washington für die Angehörigen der US-Streitkräfte die obligatorische 
        Teilnahme an einem Kurs über Beziehungen zwischen den Rassen angekündigt. 
        Die Belehrung, für die zunächst sechs Stunden vorgesehen sind, soll im 
        Sommer in allen amerikanischen Militäreinrichtungen beginnen. Sie ist 
        Pflicht für alle Soldaten, vom Schützen bis zum General, sowie für ihre 
        Frauen. Einem Sprecher des US-Verteidigungsministeriums zufolge ist das 
        Ziel des Kurses der Abbau der wachsenden Rassenspannungen in den Streitkräften. 
        Sein Hauptthema wird die  | 
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M 36 Vietnam - Veteranen sollen Arbeit bekommen WASHINGTON, 
        20. Juni (UPI). Präsident Nixon hat Arbeitsminister Hodgson angewiesen, 
        umgehend Maßnahmen zur Arbeitsvermittlung für beschäftigungslose ehemalige 
        Soldaten des Vietnam-Krieges zu treffen. In einem Schreiben an den Minister 
        führte Nison aus, dieser Aufgabe komme »höchste Priorität« zu. Die Regierungsdienststellen 
        wurden angewiesen, dieses Arbeitskräftereservoir bevorzugt auszuschöpfen. 
        Aus Regierungskreisen in Washington verlautete, von den Vietnam-Veteranen 
        zwischen 20 und 29 Jahren seien 10,9 Prozent unbeschäftigt. Die Zahl der 
        unbeschäftigten Kriegsveteranen wurde mit 370 000 angegeben.  | 
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M 37 / M 38 In den Verlautbarungen 
        der beiden Kommissionen kommt zum Ausdruck, daß die Diskriminierung von 
        amerikanischen Soldaten, besonders der schwarzen, seitens der deutschen 
        Bevölkerung eine große Rolle spielt. Am deutlichsten wird das durch die 
        Schwierigkeit, genügend Wohnraum zu beschaffen. Diese Diskriminierung 
        verstärkt Unzufriedenheit und Aggressionsbereitschaft - und damit die 
        Möglichkeit der Politisierung - der Soldaten. (Vgl. Schwarze Soldaten 
        dringen auf Abzug, in: FAZ v. 13. 8. 1971.) Für die Reformer ergibt sich 
        deshalb die Notwendigkeit, besonders bei den Schwarzen den Glauben »in 
        die Gerechtigkeit des ›american 
        way of life‹«, in die Berechtigung ihrer Mission in Europa wiederherzustellen 
        (Vgl. M 31). Bisher wird auf das Problem in zwei Richtungen reagiert: 
        einmal direkt durch, allerdings nur beschränkt wirksamen, Boykott; zum 
        anderen durch Einflußnahme auf die Regierung der Bundesrepublik. Auch den Schülern 
        muß der Widerspruch zwischen dem tatsächlichen Verhalten der Bevölkerung 
        und der Behauptung des deutschen Verteidigungsministeriums, das nur die 
        seit Jahrzehnten vertretene offizielle Meinung wiedergibt, auffallen. 
        Der Wille der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung wird als Legitimation 
        für die Anwesenheit der ausländischen Truppen aufgeführt. Wie kann dann 
        aber die Beschaffung von Wohnraum so problematisch werden? Die Ursachen 
        der den herrschenden Interessen zum Teil widersprechenden Vorurteilen 
        der Bevölkerung gegen Amerikaner sollen, wie schon zu Beginn erwähnt, 
        weiter unten  | 
    M 37 Gegen Diskriminierung farbiger Soldaten gn. HAMBURG, 
        13. Juni. Verteidigungsminister Schmidt hat an Gemeinde- und Stadträte, 
        Mitglieder der Kreisräte, Bürgermeister und Landräte appelliert, der Lage 
        der farbigen Soldaten in Streitkräften der Alliierten in Deutschland besondere 
        Achtung zu schenken und nicht den Eindruck entstehen zu lassen, die Deutschen 
        leisteten der Rassendiskriminierung Vorschub. Die amerikanische Vereinigung 
        für die Förderung Farbiger, eine gemäßigte Organisation, hatte vor einiger 
        Zeit beobachtet, daß in einigen Standorten amerikanischer Truppen Vermieter 
        von Wohnungen und Gastwirte farbige Soldaten und ihre Angehörigen diskriminiert 
        hätten. Schmidt erklärte dazu in Hamburg, die Bundesregierung habe keine 
        rechtliche Möglichkeit das Verhalten deutscher Wohnungsvermieter gegenüber 
        Farbigen zu beeinflussen. Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung 
        wünsche aber die Anwesenheit ausreichender amerikanischer Streitkräfte 
        in der Bundesrepublik. (FAZ v. 14. 6. 1971)  | 
  
M 38 US-Regierung will Farbigen helfen WASHINGTON, 
        8. September (AP). In gleichlautenden Rundschreiben haben das Verteidigungs- 
        und das Außenministerium der USA die amerikanischen Diplomaten und Militärkommandeure 
        in Übersee aufgefordert, energischere Schritte zur 
        Bekämpfung der sich gegen Farbige richtenden Rassendiskriminierung zu 
        unternehmen. ... die Botschafter 
        (sollten sich) mit den betreffenden Regierungen ins Benehmen setzen und 
        darauf hinwirken . . ., daß die farbigen Soldaten von der Bevölkerung 
        der einzelnen Länder besser behandelt würden. Beamte des Pentagon erklärten, 
        Verteidigungsminister Laird habe dieses Thema bereits mit Bundesverteidigungsminister 
        Helmut Schmidt und den japanischen Behörden besprochen. (FR v. 9. 9. 1971)  | 
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M 39 / M 40 Die Interessen 
        der BRD, die Bundesinnenminister Genscher wahrzunehmen vorgibt, sind identisch 
        mit den Interessen der Kommissionen: die sich marxistisch-leninistisch 
        verstehende Black Panther Party, deren erklärtes Ziel es ist, das Gesellschaftssystem 
        der USA umzustürzen - gemäß dem Verfassungsauftrag dieses Staates - und 
        die zu diesem Zweck politische Aufklärungsarbeit (nicht nur) unter den 
        GIs auch hier in der Bundesrepublik betreiben will, berührt mit diesem 
        Ziel auch die Interessen der Herrschenden in Westdeutschland, was das 
        Hand-in-Hand-Arbeiten der amerikanischen und der deutschen Regierung und 
        Polizei klar demonstriert. (Siehe auch M 1; > Musik, Bd. I, S. 28) Diese Interessenidentität 
        drückt sich auch in der NATO-Mitgliedschaft beider Staaten aus, in den 
        Devisenausgleichszahlungen für die Stationierung der Truppen in der BRD, 
        durch die der Krieg in Indochina von der Bundesregierung mitfinanziert 
        wird. (Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an das noch immer bestehende 
        Einreiseverbot für Vertreter der FNL Südvietnams in die BRD.) Die enge 
        Verflechtung der Interessen des Kapitals in den USA und in der BRD ist 
        sowohl Ausdruck als auch Folge der Geschichte des »Wiederaufbaus« 
        Westdeutschlands zur »Bastion des christlichen Abendlandes«, 
        der »abendländischen Kultur« nach 1945, der maßgeblich bestimmt 
        worden ist von den Interessen des US-amerikanischen militärisch-industriellen 
        Komplexes. (Zur Funktion der US-Armee bei der Restauration des Kapitalismus 
        in Westdeutschland siehe: Eberhard Schmidt, Die verhinderte Neuordnung, 
        Frankfurt 1970 [Europäische Verlagsanstalt]. Zur Struktur und Funktion 
        der NATO siehe: Fritz Vilmar, Rüstung und Abrüstung im Spätkapitalismus, 
        Frankfurt 19705 [Europäische Verlagsanstalt], bes. S. 135 ff.... 
        Zur Kapitalverflechtung 
        USA - BRD siehe: Ernest Mandel, Marxistische Wirtschaftstheorie, Frankfurt 
        1968 [Suhrkamp], bes. S. 502 ff. und Ders., Die EWG und die Konkurrenz 
        Europa - Amerika, Frankfurt 19694 [Europäische Verlagsanstalt].) Bei der Behandlung 
        dieser Problematik im Unterricht könnte es wichtig sein zu beachten, daß 
        es wegen der historischen Gebundenheit von Sozialisationsprozessen zu 
        unterschiedlichen Interpretationen der Faktoren des Problemzusammenhangs 
        bei Lehrern und Schülern kommen kann und wahrscheinlich kommen wird. (Vgl. 
        Helmut Hartwig, Unterrichtsbeispiel: Zur Situation der Schwarzen in den 
        USA, in: Politische Bildung H. 2/1970, S. 59 ff.) Bei der älteren Generation 
        gehen in die Beurteilung der Rolle der US-Armee Gedanken an den zweiten 
        Weltkrieg, aber auch an die Funktion der USA als Partner des Bündnisses 
        gegen den Kommunismus und bei der Entwicklung der sog. >›Wohlstandsgesellschaft<‹ 
        ein. Das Verhältnis der Generation der heute knapp 40jährigen zu den USA 
        wird in einem Gedicht von Yaak Karsunke (Kilroy war hier, in: Ders., Kilroy 
        und andere, Berlin 1967 (Wagenbach, Quartheft 17), S. 65) deutlich. Die 
        Diskussion über dieses Gedicht kann es dem Schüler erleichtern, diese 
        Unterrichtseinheit auf sich zu beziehen. Hier wird, 
        wie schon unter M 13 / M 14 / M 15 erwähnt, offensichtlich, welche 
        Bedeutung der Vietnamkrieg für die Schüler wie für die Afroamerikaner 
        hat: Er ist die offenste Manifestation des Widerspruchs zwischen den Idealen 
        und den realen Verhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft. Außerdem werden 
        einige Bezugspunkte der »innenpolitischen Erwägungen und außenpolitischen 
        Rücksichten« seitens der Bundesregierung deutlich: Viel gefährlicher als 
        einige Gewalttaten (auch während der Gerichtsverhandlung konnte nicht 
        belegt werden, daß einer der Black Panthers den ersten Schuß abgegeben 
        bzw. nicht in Notwehr gehandelt hat. Der Rechtsstreit dauert noch an - 
        Vgl. FR v. 18. 6. 1971: Von den Zuhörerbänken das Echo »Power!«; FR v. 
        13.7. 1971: Pfuirufe nach Urteilsverkündung; FR v. 13. 7. 1971: Sechs 
        Jahre für Black Panthers) sind die u. U. von den Black Panthers und anderen 
        Gruppen ausgelösten Prozesse der Bewußtseinsveränderung. Außerdem hat 
        die BRD aus naheliegenden Gründen alles zu unterlassen und zu unterbinden, 
        was die Kampfkraft der US-Armee noch weiter verschlechtert und den Politisierungsprozeß 
        bei den GIs fördern könnte.  | 
    M 39 Belange der BRD beeinträchtigt Bundesregierung 
        begründet Einreiseverbot für Black-Panther-Führerin ul/mö/mig. FRANKFURT/BONN/HEIDELBERG, 
        25.. November. Die Bundesregierung sieht 
        durch die Anwesenheit der Black-Panther-Führerin Kathleen Cleaver »erhebliche 
        Belange der Bundesrepublik, vor allem auf außenpolitischem Gebiet, beeinträchtigt«. 
        Mit dieser vom Auswärtigen Amt und dem Bundesinnenministerium gemeinsam 
        veröffentlichten Erklärung wurde das Einreiseverbot für die Frau des in 
        Algerien im Exil lebenden »Informationsministers« der Black Panther am 
        Dienstagabend motiviert. Wie in Bonn 
        zu erfahren ist, dürften für das Bundesinnenministerium wie auch für das 
        Auswärtige Amt innenpolitische Erwägungen und außenpolitische Rücksichten 
        den Ausschlag gegeben haben. Schon bei der Vorbereitung der geplanten 
        Veranstaltungen sei es zu »schweren Straftaten gekommen«, hieß es in der 
        Erklärung. Bewaffnete Angehörige der »Bladt Panther Party« hätten am 9. 
        Dezember 1970 auf dem US-Militärflughafen Ramstein (Pfalz) einen deutschen 
        Wachmann durch mehrere Schüsse verletzt. Gegen zwei der festgenommenen 
        Täter habe das Amtsgericht Zweibrücken Haftbefehl wegen Verdachts der 
        Beteiligung an einem »Mordkomplott« erlassen. Es müsse befürchtet werden, 
        daß das öffentliche Auftreten einer prominenten Funktionärin der »Black 
        Panther Party« in der Bundesrepublik Deutschland weitere Gewalttaten auslösen 
        könnte. Nachdem die Schüsse des rechtsradikalen Krankenpflegers Weil auf 
        die sowjetischen Wachsoldaten am Ehrenmal in Westberlin die ohnehin schwierigen 
        Vier-Mächte-Verhandlungen über Berlin und das Verhältnis Bonn-Moskau unnötig 
        belastet hätten, solle nicht noch eine zusätzliche diplomatische Störung 
        im Verhältnis zu den USA herausgefordert werden, verlautete in Bonn. (... 
        ) Kathleen Cleaver 
        traf dennoch am Dienstagabend mit einer Lufthansamaschine auf Rhein-Main 
        ein. Sie wurde sofort in Gewahrsam genommen und eine halbe Stunde später 
        wieder nach Paris abgeschoben. (FR v. 26. 11 . 1970) M 40 (... ) Wie sehr sich die Bundesrepublik - auch nach Ablösung der alliierten 
        Vorbehaltsrechte durch ein deutsches Notstandsgesetz - den Interessen 
        der US-Armee verbunden sieht, bekommen deutsche Gruppen, die mit GIs zusammenarbeiten, 
        drastisch zu spüren. Ein Beispiel für mehrere: Erlangen. Aus einem Flugblatt 
        des Erlanger AStA: Am Freitag, dem 2. 10. (1970; Anm. d. Verf.), umstellten 
        30 Erlanger Polizisten und amerikanische Geheimdienstleute mit Maschinenpistolen 
        im Anschlag das Haus in Erlangen, in dem Genossinnen aus der mit GIs arbeitenden 
        Gruppe wohnen. Mit vorgehaltenen Pistolen drangen sie in die Wohnung ein, 
        indem sie ohne Erklärung die die Türe Öffnenden zur Seite schoben. 
        Trotz mehrmaliger Aufforderung wurde eine Legitimation für diese Aktion 
        erst nach einiger Zeit vorgelegt. Die Aktion wurde schließlich im Rahmen 
        einer Fahndung nach drei schwarzen GIs, die auf dem Weg ins Gefängnis 
        von 30 anderen befreit worden waren, ausgewiesen ... Die Suche nach 
        den Flüchtlingen erwies sich schnell als ergebnislos. Die in der Wohnung 
        vermuteten drei Schwarzen hatten das Haus noch nie betreten. Nachdem sich 
        aber die CID-Bullen schon einmal mit Bewilligung eines deutschen Gerichts 
        und in Begleitung deutscher Polizei in einer ihnen sonst unzugänglichen 
        Wohnung aufhielten, dehnte man die Suche gleich aus auf Unterlagen, die 
        in keinem Zusammenhang mit der Begründung des Hausdurchsuchungsbefehls 
        standen. Auf illegale Weise verschwanden Fotos und Briefe. Die Fotos zeigen 
        GIs, die allerdings schon wegen ihrer politischen Tätigkeit nach den USA 
        oder nach Vietnam versetzt worden waren, und deutsche Genossen, während 
        Demonstrationen in Erlangen ... (...) (Wolff/Taubmann, a. a. O., S. 31 f.)  | 
  
M 41 / M 42 Die Politisiertheit 
        der Gymnasiasten, die sich am deutlichsten in zunehmender >Wehrunwilligkeit< 
        äußert, scheint dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages besorgniserregend 
        genug zu sein. Was die Bundeswehrführung unter staatsbürgerlicher Unterrichtung 
        versteht, ist schon angesprochen worden (s. M 9 / M 10 / M 11). Daß bei 
        einem Großteil der Schüler ein »Mangel an staatspolitischer Unterrichtung« 
        im Sinne der Bundeswehr und daher an Bereitschaft besteht »für die Gemeinschaft 
        eine Pflicht zu erfüllen«, ist weithin auf ein kritisches politisches 
        Bewußtsein zurückzuführen und kann deshalb durchaus positiv bewertet werden.  | 
    M 41 Schultz: Besorgniserregende Tendenzen 
        an Gymnasien Kp. MAINZ, 
        2. Juni. Noch immer stelle die Bundeswehr fest, daß bei den jungen Soldaten 
        erhebliche Lücken in ihrer staatsbürgerlichen Unterrichtung bestehen. 
        Daraus müsse man schließen, daß die Schule eine ihr gestellte Aufgabe, 
        nämlich den jungen Menschen an den Staat heranzuführen, nicht ausreichend 
        erfülle. Dies sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages, Schultz, bei 
        einer staatsbürgerlichen Informationstagung für Soldaten des Wehrbereichskommandos 
        IV in der Benediktinerabtei Maria Laach. Schultz meinte, beim staatsbürgerlichen 
        Unterricht vor allem an höheren Schulen seien zunehmend Tendenzen erkennbar, 
        daß der Staat in Frage gestellt werde. Die Folge sei eine nur geringe  | 
  
M 42 Insgesamt weist 
        die Statistik der Kriegsdienstverweigerer eine Zunahme von 14 374 Anträgen 
        im Jahre 1969 auf 19 363 im Jahre 1970 aus. In der Bundeswehr stieg die 
        Zahl der Antragsteller von 2507 im Vorjahr auf 3184 im Berichtsjahr. Hieraus 
        ergibt sich, daß die Antragszahl insgesamt von 1969 auf 1970 um ein knappes 
        Drittel, in den Streitkräften im gleichen Zeitraum etwa um ein Viertel 
        gestiegen ist. (... ) Die quartalmäßigen 
        Schwankungen sind nach meinem Eindruck auf eine verstärkte Antragstellung 
        seitens der Abiturienten zurückzuführen, die üblicherweise in den ersten 
        Monaten eines jeden Jahres gemustert werden. Meine Annahme wird dadurch 
        bestätigt, daß die Abiturienten unter der Gesamtzahl der Kriegsdienstverweigerer 
        stark überrepräsentiert sind.  | 
  |
M 43 Schüler wie 
        Lehrer werden in diesem Abschnitt direkt angesprochen: Wenn sich für die 
        Schüler als Wehrpflichtige die Frage der Einstellung zur Bundeswehr, die 
        sie nach dem Abitur erwartet, ergibt, so für den Lehrer die Frage nach 
        der Konzeption des sozialkundlichen Unterrichts und seine Einstellung 
        gegenüber dem vom Verteidigungsministerium geforderten »Wehrkundeunterricht«. 
        Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im DGB nimmt hier dezidiert 
        Stellung zu den Plänen, die »Lücken in (der) staatsbürgerlichen Unterrichtung« 
        der Schüler zu füllen. Ausgehend von 
        den drei schon vorher (s. M 13, M 14, M 15, M 26) angesprochenen Alternativen 
        zum Kriegsdienst: 1. Verweigerung; 2. Desertion (was für die Schüler gleichzusetzen 
        wäre mit dem Vortäuschen der Untauglichkeit bei der Musterung); 3. Politische 
        Arbeit in der Armee, könnte nun eine Diskussion über diesen Komplex stattfinden, 
        die - bezogen sowohl auf die Afroamerikaner in der US-Armee, als auch 
        auf die Schüler in der Bundeswehr - unter den Gesichtspunkten der Emanzipation 
        (individuell und gesellschaftlich) von den gestellten Anpassungsforderungen 
        geführt werden sollte. (Informationen 
        über den Kriegsdienst sind zu beziehen vom Bundeswehramt, 53 Bonn 7, Postfach 
        7120. Material über die Praxis der Kriegsdienstverweigerung und die Diskussion 
        ihrer politischen Implikationen versendet der Verband der Kriegsdienstverweigerer 
        in der War Resisters International e. V., 7 Stuttgart, Postfach 1159. Siehe auch: Heinz Liepmann [Hrsg.], Kriegsdienstverweigerung oder Gilt 
        noch das Grundgesetz?, Reinbek 1966 [rororo aktuell 885]).  | 
    M 43 Lehrer-Gewerkscbaft gegen einseitige 
        Wehrpropaganda GEW-Antwort 
        an Schmidt: »Wehrdienst und Verweigerung müssen ausgewogen erörtert werden 
        können.« FRANKFURT, 
        4. Juli. »Die GEW wird sich jedem Versuch staatlicher Instanzen entschieden 
        widersetzen, ein Fach Wehrkunde direkt einzuführen oder auf andere Weise 
        Wehrpropaganda in den Schulen zu treiben.« Dies erklärte die Gewerkschaft 
        Erziehung und Wissenschaft nach einer Sitzung ihres Hauptvorstandes am 
        Wochenende in Frankfurt. Die Gewerkschaft hatte eine Stellungnahme zu 
        einem Schreiben von Bundesverteidigungsminister Helmut Schmidt erarbeitet, 
        in dem der Minister den Vorwurf erhoben hatte, daß an den Schulen keine 
        Vorbereitung auf die Notwendigkeit des Wehrdienstes erfolge. Der GEW-Vorsitzende 
        Frister erklärte dazu in einer Pressekonferenz, daß seine Organisation 
        Informationen über die Verteidigung und über die Bundeswehr nicht ablehne. 
        Man sei jedoch gegen eine einseitige Wehrpropaganda. Ebenso verneint werde 
        von der Gewerkschaft allerdings auch eine einseitige Propaganda für die 
        Kriegsdienstverweigerung. In der Erklärung des GEW-Vorstandes heißt es 
        zu diesem Punkt: »Die GEW hat 
        sowohl die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes wie auch die Rechtsprechung 
        auf ihrer Seite, wenn sie ihre Mitglieder darin bestärkt, nach wie vor 
        das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung mit zumindest gleichem Rang 
        im Unterricht zu behandeln, wie die Wehrdienstpflicht. Das Recht des Lehrers, 
        seine eigene politische Meinung zu äußern, bleibt unbestritten. Für den 
        schulischen Unterricht muß nach wie vor gewährleistet sein, in ausgewogenem 
        Verhältnis sowohl auf den Wehrdienst, wie auch auf die Verweigerung als 
        zumindest gleichwertige Möglichkeit hinzuweisen.« Die Gewerkschaft 
        hat die Vorwürfe von Verteidigungsminister Schmidt insgesamt als »nicht 
        überzeugend« qualifiziert und verwies besonders darauf, daß in allen Bundesländern 
        Schulbücher, Lehrpläne und teils auch Erlasse der Ministerien die Behandlung 
        des Problemkreises »Bundeswehr« im Unterricht vorsähen. Man könne jedoch 
        den Schulen keinen Vorwurf machen, wenn Schüler aus der kritischen Reflektion 
        über die deutsche Geschichte, die gegenwärtige internationale Lage und 
        die Zusammenhänge von Rüstung und Krieg die Konsequenz zögen, den Kriegsdienst 
        zu verweigern. (Ulrich Mackensen, in: FR v. 5. 6. 1971)  | 
  
M 44 Nun soll ein zweiter möglicher Unterrichtsstrang 
        angedeutet werden. Wenn man die 
        Informationen von M 2, M 4, M 12, M 31, M 37 berücksichtigt und diesen 
        sehr konkreten Text hinzuzieht, stellt sich die Frage nach den Ursachen 
        eines so irrationalen, festverwurzelten Verhaltens. Um auf diese Frage 
        eine Antwort geben zu können, muß zunächst versucht werden, weitere konkrete 
        Erfahrungen zu sammeln. Dazu geeignet wäre eine Befragung von Verwandten 
        und Bekannten. Lehrreich wäre auch die Zimmersuche für einen (u. U. anscheinend 
        nicht vorhandenen) Afrikaner. Die Ergebnisse 
        dieser empirischen Tätigkeiten schaffen genügend Motivation, um sich mit 
        der Entstehungsgeschichte des Vorurteils - in diesem Falle gegenüber afrikanisch 
        Aussehenden - zu beschäftigen. Dazu geeignet sind Kinder- und Jugendbücher, 
        die die Schüler aus einer zurückliegenden Periode ihres Sozialisationsprozesses 
        kennen: »Zehn kleine Negerlein«, »Struwwelpeter« und andere, modernere 
        Comics, »Onkel Toms Hütte«, »Huckleberry Finn«, Karl May, Afrikabücher, 
        Heiligensagen (um den schwarzen der drei Weisen aus dem Morgenlande), 
        Geschichtsbücher und ihre Darstellung des deutschen Kolonialismus, »Othello«. 
        Außerdem könnten Analysen von Fernsehfilmen aus amerikanischen Krimiserien 
        versucht, Illustrierte durchforstet und die Darstellung von Afrikanern 
        in der bildenden Kunst untersucht werden.  | 
    M 44 Diskotheken 
        in Frankfurt weisen farbigen Soldaten die Tür/»Mit lauter so Amis macht 
        man kein Geschäft: Zum Tanzen bitte weiße Gesichter«/Rassendiskriminierung 
        nicht nur in den USA. Von Norbert Leppert (...) Drei Freunde 
        gehen bummeln: Jimmie Archie (21), Bradford Burke (20) und Ralph Lipsey 
        (20) fahren nach dem Dienst in der 3rd Armed Division mit dem Auto downtown. 
        Sie steuern ein Tanzlokal in der Mainzer Landstraße an. Windsor Club, 
        modern und exclusiv: So prangt es in dicken Lettern an den Fensterscheiben. Was jedoch 
        modern und damit zeitgemäß ist, bestimmt der Chef. Er hat angeordnet, 
        daß »Nigger« im Club nichts zu suchen haben. Jimmie, Bradford und Ralph 
        mögen noch so überzeugend argumentieren. Der Chef weist ihnen die Tür. 
        »Wenn wir die reinlassen«, sagt ein junger Mann, der als Kellner harte 
        Sachen serviert, »haben wir nur noch Schwarze hier. Und dann geht das 
        Lokal kaputt wie alle anderen auch. Mit lauter so Amis kann man kein Geschäft 
        machen.« Aber: Die Farbigen 
        seien nicht knapp bei Kasse, heute sei Zahltag gewesen? »Uns geht's ja 
        nicht ums Geld«, winkt die Bedienung von Windsor Club ab, »wir wollen 
        ... « Und ein ohrenbetäubender Beat verschluckt die Erklärung. Die drei 
        GIs stehen auf der Straße. Ziel Nummer zwei ist Number one, Diskothek 
        in der Großen Friedberger Straße. An der Kasse hockt ein Schmalschultriger mit langen Haaren, über ihm ein 
        Pappschild. »Die Direktion hat das Recht, ohne Angabe von Gründen vom 
        Hausrecht Gebrauch zu machen.« So willkürlich tut sie es denn auch. Jimmie, Bradford und Ralph dürfen nicht 
        hinein, weil sie keine Clubkarte besitzen. Sie möchten eine kaufen, aber: 
        Keine Clubkarten mehr da. Die drei US-Soldaten 
        möchten mit dem Geschäftsführer reden. Allerdings kommt er nicht, außerdem 
        soll er kein Englisch sprechen. Ralph aber gibt nicht auf, ein freundliches 
        Number-one-Mitglied leiht ihm eine Clubkarte. Dennoch: Kein Eintritt. 
        »Kommt in einem halben Jahr wieder«, tröstete der Kassierer, »da gibt 
        es Clubkarten«. Dann fertigt er neue Gäste ab: deutsche Mädchen und Männer, 
        die 2,50 Mark zahlen und ohne irgendwelche Clubkarten das ungewöhnlich 
        leere Lokal füllen. Jimmie, Bradford und Ralph müssen Leine ziehen. »So 
        wie heute ist es jedes Mal«, resignieren alle drei. »Anders aber bei unseren 
        weißen Kameraden. Die kommen überall rein.« (... ) (FR v. 3. 5. 
        1971)  | 
  
 M 45 /M 46 
         Bei der Untersuchung 
        des Vorurteils gegenüber Afroamerikanern ist zu beachten, daß diese den 
        Großteil der in Deutschland lebenden Schwarzen ausmachen. Es ist zu vermuten, 
        daß das Vorurteil ihnen gegenüber sich von dem gegenüber Afrikanern unterscheidet, 
        weil sie hier als Soldaten einer deutlich als dominierend empfundenen 
        Macht stationiert sind (vgl. M 39 / M 40). Zusätzlich richten sich gegen 
        sie also die Aggressionen, die sich gegen Armeeangehörige (auch die weißen) 
        und amerikanische Touristen wenden. Wenn auch weiße Amerikaner angeblich 
        »überall reinkommen«, so haben sie doch auch unter Diskriminierungen zu 
        leiden. Diese können als subjektive Kompensation des starken Unterlegenheitsgefühles 
        gegenüber den »Siegern«, »Befreiern«, »Helfern« interpretiert werden. 
        Der Verfasser z. B. vermeint beim Anblick amerikanischer Touristen jedesmal, 
        ihren Besitzanspruch als »Sieger«, der sich in Besichtigungen konkretisiert, 
        wahrzunehmen. Daß zu den 
        Siegern »Neger« gehören, muß um so schlimmer erscheinen (vgl. M 12).Ihre 
        zunehmende Diskriminierung ist wohl auch dadurch zu erklären, daß durch 
        die Auswirkungen des »Wirtschaftswunders« ein durchschnittlicher Arbeiter 
        heute mehr verdient als ein GI, wohingegen es sich während des ersten 
        Nachkriegsjahrzehnts umgekehrt verhielt. Ein Rallye-Kadett unterscheidet 
        sich nicht mehr so sehr von einem Ford Mustang. (Vgl. Charles C. Moskos, 
        a. a. O., S. 144. Dennoch gaben irgendwann um 1966 64 % der afroamerikanischen 
        Soldaten an, in Deutschland besser behandelt zu werden als in den USA, 
        6 % waren der gegenteiligen Auffassung und der Rest sah keinen Unterschied. 
        Vgl. ebda., S. 145. Aber: M 37,  M 38).  | 
    M 45 Taxifahrermord von Fürth steht vor 
        der Aufklärung ma. FÜRTH, 23. September. Der Taxifahrermord an dem 48 Jahre alten Chauffeur Rudolf Stahlhofen steht vor der Aufklärung. Amerikanische und deutsche Polizeibeamte haben unter dringendem Tatverdacht zwei farbige Gefreite der amerikanischen Armee im Alter von 18 und 20 Jahren festgenommen, die bei einer Versorgungseinheit in den »Monteith Barracks« stationiert sind. In unmittelbarer Nähe dieser Kaserne am Stadtrand von Fürth war Stahlhofen in seinem Taxi erschossen und ausgeraubt worden. Bei den zwei Farbigen wurde jene Kleidung gefunden, die nach Zeugenaussagen die letzten beiden farbigen Fahrgäste Stahlhofens getragen haben. Die beiden festgenommenen Soldaten leugnen die Tat. Sie haben für die Mordzeit kein Alibi. (FAZ v. 24. 
        9. 1971)  | 
  
Durch das Material 
        wird weiterhin das dialektische Verhältnis von Diskriminierung durch die 
        Bevölkerung der BRD, und Gewalttätigkeit gegen sie deutlich: Die auch 
        durch die erlittene Diskriminierung begünstigte Aggressivität richtet 
        sich zum Teil gegen die Bevölkerung und bestärkt so die Bevölkerung in 
        ihren Vorurteilen (Gewalttätigkeit, Kriminalität, Triebhaftigkeit), was 
        zu stärkerer Diskriminierung führt usw. (Zu den spezifischen Verhaltensweisen 
        von Gettobewohnern und ihrer Entstehung  
        > Familie/Schule, S. 62 f.) Die objektive 
        Funktion dieser Vorurteile ist, so sollte diese Unterrichtseinheit auch 
        ergeben haben, die Beherrschten gegeneinander auszuspielen: Ebenso wie 
        in der Armee die gegenseitigen Vorurteile von GIs verschiedener Hautfarbe 
        ein gemeinsames Vorgehen erschweren, richten sich die Aggressionen der 
        auch durch das amerikanische Kapital ausgebeuteten Bevölkerung gegen die 
        sichtbarsten Vertreter Amerikas, die GIs, die selbst durch die Armee unterdrückt 
        und in den USA durch das gleiche Kapital ausgebeutet werden. Diese Behauptung 
        könnte weiter untersucht werden an den Beispielen des Vorurteils gegenüber 
        Gastarbeitern oder Juden; dabei könnte dessen ökonomische Funktion (die 
        psychische Bewältigung der Gefährdung des Arbeitsplatzes durch ausländische 
        Konkurrenten und die Verhinderung von Solidarität bzw. m. E. die Ausschaltung 
        unerwünschter Konkurrenz) besonders deutlich werden. Vorurteile gegen 
        »Rocker«, »Hippies« oder Studenten demonstrieren, daß das Wort »Rassenvorurteil« 
        nur ein spezifisches Vehikel des Vorurteils bezeichnet, das äußere Merkmale 
        benötigt, nach denen die Welt in >gut< und >böse<, >sicher< 
        und >gefährlich<, >richtig< und >falsch< eingeteilt 
        wird und an die sich die Vorurteile knüpfen lassen.  | 
    M 46 Schimpfworte 
        weil sie im Getto leben müssen / Aggressionen amerikanischer Kinder gegen 
        :Münzenbergschule Von Norbert Leppert Samstags, wenn der Hausmeister den Schulhof fegt, macht er sich auf allerhand gefaßt. »Dann hocken sie in den Bäumen«, und mit dem Kopf deutet Ernst Becker (45) auf die amerikanische Wohnsiedlung, »und sie rufen mir Schimpfworte zu: Du deutsches Schwein, du Nazi-Sau!« so führen amerikanische Kinder seit Jahren ihren kleinen Krieg gegen die Münzenbergschule - ein Konflikt, der eine mangelhafte Integration der Amerikaner widerspiegelt. Von Terror 
        möchte Ernst Becker nicht sprechen, wenn auch das Sündenregister der US-Lausbuben 
        lang ist. Immer wieder klirren Fensterscheiben der Schule in der Engelthaler 
        Straße, und sorgsam sammelt der Hausmeister die Wurfgeschosse: große Steine, 
        kleine Steine, Steckachsen. Als kürzlich 
        die Frau des Pedells von einem Stein am Kopf getroffen wurde, machte die 
        Geschichte in Eckenheim die Runde. Und so mancher fühlte sich in seiner 
        ablehnenden Haltung gegenüber den US-Angehörigen bestätigt - vergaß freilich 
        darüber, daß erst die Diskriminierung solches Klima schafft. »Die Eckenheimer 
        haben die Amerikaner schlecht aufgenommen«, so Bezirksvorsteher Martin 
        Zahn. »Beim Schoppen meidet man sie, und wenn Farbige ein Zimmer suchen, 
        stoßen sie auf Ablehnung.« Ihre Probleme 
        in deutschem Land mit deutschen Leuten übertragen die US-Eltern auf ihre 
        Kinder. »Die werden zu Hause aufgewiegelt«, mutmaßt Ernst Becker, der 
        an der Turnhalle auch Hakenkreuze und Fuck-Parolen entdeckte. Die Kicker 
        vom SV Viktoria glaubten sich eines Abends so sehr von Steinwerfern bedroht, 
        daß sie nach dem Training durch den Notausgang der Turnhalle nach Hause 
        eilten. Mit Briefen 
        und guten Worten wollten Schule und US-Standortkommandantur die Sache 
        aus der Welt schaffen. Drei-Sterne-General Clair Hutchin richtete einen 
        Appell an alle US-Familien in der Gedener Straße und bat darum, die Kinder 
        besser zu beaufsichtigen. »Nach einem solchen Schreiben war ein dreiviertel 
        Jahr lang Ruhe«, erfuhr der Hausmeister, .aber dann ging der Rummel aufs 
        neue los.« Für Albert Unicower, Sachbearbeiter in Hessen für kulturelle 
        Angelegenheiten der in Deutschland stationierten US-Streitkräfte, liegt 
        der Fall klar: »Hier fehlen die Kontakte. Die amerikanischen Kinder möchten 
        mit den deutschen gern spielen, aber sie wissen nicht, wie sie es anfangen 
        sollen.« (FR v. 6. 7. 
        1971)  | 
  
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       Literatur Volkhard Brandes 
        und Joyce Burke, USA - Vom Rassenkampf zum Klassenkampf, München 1970 
        (dtv report 669) Eldridge Cleaver, Seele auf Eis, München 1970 (dtv Nr. 710 Franz Josef 
        Degenhardt, Spiel' nicht mit den Schmuddelkindern, Reinbek 1969 (rororo-Taschenbuch 
        1168)  Anton Andreas 
        Guha, Sexualität und Pornographie, Die organisierte Entmündigung, Frankfurt 
        1971 (Fischer Bücher des Wissens 6153) Yaak Karsunke, Kilroy und andere, Berlin 1967 (Wagenbach Quartheft 17) Rene König 
        (Hrsg.), Beiträge zur Militärsoziologie. Sonderheft 12/1968 der Kölner 
        Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie {Westdeutscher Verlag, 
        Köln und Opladen} Das Parlament, 21. Jg., Nr. 18, 1. 5. 1971 Wilhelm Reich, 
        Massenpsychologie des Faschismus, o.O., 19342 (Erhältlich als 
        Raubdruck) Report of the 
        National Advisory Commission on Civil Disorders, New York 1968 (A 
        Bantam Book, QZ 4273) Eberhard Schmidt, 
        Die verhinderte Neuordnung, Frankfurt 1970 (Europäische Verlagsanstalt) Hans Helmut 
        Thielen, Der Verfall der Inneren Führung, Frankfurt 1970 (EVA) Fritz Vilmar, Rüstung und Abrüstung im Spätkapitalismus, Frankfurt 19705 (Europäische Verlagsanstalt)  | 
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