Zivil-militärischer Händedruck: DGB-Chef Sommer
und Verteidigungsminister de Maizière vereinbarten im Februar eine
engere Kooperation
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Großes Aufheben wollte der Deutsche Gewerkschaftsbund offenbar nicht machen. Der »friedens- und sicherheitspolitische
Workshop«,
zu dem der DGB am Mittwoch in die Berliner Kalkscheune geladen hatte,
war ausdrücklich nicht presseöffentlich. Womöglich sollte vermieden
werden, daß eine Berichterstattung die Veranstalter in eine allzu
kompromittierende Nähe zu Bundeswehr und Rüstungsindustrie rückt.
Das ursprüngliche Programm ließ aber genau das erwarten. Unter anderem
waren der grüne Wehrpolitiker Winfried Nachtwei, Mitglied im »Beirat
Innere Führung« des Bundesverteidigungsministeriums, und der
Politikwissenschaftler Herfried Münkler als Referenten geladen.
Letzterer hatte sich in der Vergangenheit schon mal für die »Herstellung
von imperialer Ordnung zwecks Absicherung von Wohlstandszonen«
ausgesprochen. Eine Forderung, von der er am Mittwoch zwar implizit
nicht Abstand nahm, allerdings in dieser Deutlichkeit nicht wiederholen
mochte.
Die Zusammensetzung der Rednerliste provozierte den Protest vieler
anwesender Gewerkschaftsmitglieder. »Die heutige Veranstaltung ist ein
gewerkschaftspolitischer Skandal«, rief eine Kollegin in den Saal
hinein. DGB-Chef Michael Sommer riet sie, »sofort zurückzutreten«, »dann
hast du mehr Zeit für dein Hobby, Lobby für die Bundeswehr zu machen.«
Der zeigte sich beleidigt, bezeichnete die Interventionen aus dem
Publikum als »strukturelle Gewalt« und erinnerte daran, daß in einem
Gespräch, das der DGB-Bundesvorstand mit Verteidigungsminister Lothar de
Maizière (CDU) geführt hatte, die Ablehnung von Drohnen und
Jugendoffizieren in der Schule vorgebracht worden sei. Dieses Gespräch
fand im Februar statt. Vereinbart wurde damals eine engere
Zusammenarbeit, die in einer »gemeinsamen Erklärung« über »gemeinsame«
Werte zum Ausdruck kommen sollte. Für das Treffen – es war das erste mit
einem Verteidigungsminister seit 30 Jahren – hatte die
Gewerkschaftsspitze viel Kritik von der Basis geerntet. Sommer hatte
wohl nicht zuletzt deshalb im Juni auf dem Kongreß der Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW) angekündigt, »einen großen
friedenspolitischen
Workshop des DGB zu
veranstalten, auf dem alle zu Wort kommen sollen«. Eine solche
Veranstaltung solle »bewußt in der Tradition unserer Aufrufe zu den
Antikriegstagen« stehen, so Sommer im Juni.
Doch bei der Sichtung des Programms müssen sich die Kollegen verwundert
die Augen gerieben haben. Kein einziger der externen Redner steht in der
Tradition der Friedensbewegung oder gar des Antimilitarismus. Stefan
Berger von der Ruhruniversität in Bochum sprach sich für ein
konstruktives Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Bundeswehr aus und
belehrte das Publikum, daß erstere nie Bestandteil der Friedensbewegung
gewesen seien. Münklers Aufgabe schien vielmehr darin zu bestehen, die
Zuhörer daran zu gewöhnen, daß militärische Konflikte an der Peripherie
zum Normalfall gehören. Dagegen sei die kapitalistische Weltordnung,
wenngleich »normativ unbefriedigend«, in der Lage, die Verteilung von
Ressourcen nicht über die Anwendung von Waffengewalt zu organisieren.
Das rief ungläubiges Staunen seitens des Publikums hervor.
Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei warnte zwar vor einer
schleichenden Militarisierung der deutschen Polizeien durch
Auslandseinsätze, hatte aber generell an solchen Einsätzen nichts
auszusetzen. Einzig Rainer Braun von der Vereinigung deutscher
Wissenschaftler, der anfangs unter den Vortragenden gar nicht vorgesehen
war, brachte kritische Positionen ein. So forderte er, der
Interventionsarmee durch Konversion die materielle Basis zu nehmen. »Das
ist die zentrale Aufgabe von Friedensbewegung und Gewerkschaften.«
Einigermaßen versöhnlich konnte die Abschlußrunde stimmen. Die
GEW-Vorsitzende Marlis Tepe sprach sich gegen die Kooperationsabkommen
zwischen Ländern und Bundeswehr aus, die es letzterer ermöglicht, mit
Jugendoffizieren an Schulen für ihr Handwerk zu werben. Ferner werde
sich die GEW für Zivilklausel an Universitäten einsetzen, die
militärrelevante Forschung verbietet. »Was wir außerdem brauchen, ist
eine Aufklärung gegen Kriegsideologie«, sagte Tepe. Ihr Kollege von
ver.di, Wolfgang Uellenberg-van Dawen, sekundierte, daß eine radikale
Entmilitarisierung der deutschen Außenpolitik notwendig sei. Es bedürfe
der Dominanz der Friedens- und Konfliktforschung. »Oder mit anderen
Worten: Friedensbewegung an die Macht.«