“Jede/r hat das Recht auf klare, zugängliche, rechtzeitige und aussagekräftige Informationen über die Art und das Ausmaß der Bedrohung ihrer/seiner Gesundheit."

(Esteban Beltrán, Direktor der spanischen Sektion von Amnesty International, vor der Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbau des spanischen Parlaments, Gruppe Europäische Union, 12. Juni 2020)












Anmerkungen

1: "Das Nationale Zentrum für Epidemiologie hat gegenüber eldiario.es klargestellt, dass 'wir heute eine wichtige Aktualisierung vorgenommen haben, die aus der Arbeit mit dem Justizministerium resultiert'. Ziel ist es, 'diejenigen Todesfälle nachträglich aufzunehmen, die aufgrund von Verzögerungen bei der Meldung während der letzten drei Monate nicht in das MoMo-System aufgenommen wurden'. (...) Das Institut für Gesundheit Carlos III gibt in seinen Diagrammen die geschätzte durchschnittliche Verzögerungszeit der Meldungen an, und für diese Tage, während deren die 12.032 Todesfälle sich summiert haben, beträgt die Verzögerung 35 Tage. (...) Die Minimaldienste aufgrund des Alarmzustandes und die Zunahme der Todesfälle durch das Coronavirus führten zu einer Situation des Zusammenbruchs in mehreren Standesämtern und Leichenhallen, worunter besonders die in Barcelona und die Leichenhalle der Stadt der Justiz der katalanischen Hauptstadt litten. In einem Bericht von Anfang April, dem Zeitpunkt des Höchststandes, erklärte die Generaldirektion für die Planung der Justizverwaltung der Generalitat (der katalonischen Regierung, R.W.), dass die Sterbeabteilung des Standesamtes von Barcelona seit dem 17. März keine Sterberegistrierungen mehr durchführt, weil sich ihre Minimaldienste aufgrund der 'hohen Arbeitsbelastung' auf die Ausstellung von Familienbüchern und Beerdigungsgenehmigungen konzentrieren." (Übersetzung durch mich.)
Belén Remacha / Raúl Sanchez, El registro de muertes suma de golpe 12.000 fallecidos durante el pico de la pandemia, más de la mitad en Catalunya, https://m.eldiario.es
, 27.05.2020, zuletzt aufgerufen am 05.06.2020

2: "Die beobachtete Übersterblichkeit, so Amparo Larrauri, Epidemiologin und Leiterin des MoMo-Teams und Wissenschaftlerin des Nationalen Epidemiologie-Zentrums, 'Könnte auf Fälle mit bestätigtem COVID-19 zurückzuführen sein, auf Fälle mit unbestätigtem COVID-19, die von den Überwachungssystemen nicht erkannt werden, und auf die Pandemie indirekt. Letzteres ist sehr wichtig. Wir haben einen Wandel in der Sozial- und Gesundheitsstruktur erlebt, der dazu geführt hat, dass viele Menschen mit zugrundliegenden Erkrankungen aus einer Vielzahl von Gründen nicht zum Arzt gegangen sind, z. B. aus Angst vor Ansteckung oder weil die Sprechstunden nicht wie gewohnt funktioniert haben. Und eine Menge Gründe, die nicht medizinisch, sondern sozial sind. Viele Studien deuten darauf hin, dass die Tatsache, dass eine gefährdete, ältere Person isoliert und eingesperrt gewesen ist, ihre Gesundheit und Entwicklung stärker beeinflusst, ihr mehr ausmacht, als jüngeren Menschen. Leider sehen wir alle Fälle wie diesen um uns herum. Das sind Todesfälle, die nicht auf COVID-19 zurückzuführen sind, sondern mit diesem ganzen Prozess zusammenhängen.'" (Übersetzung und Hervorhebung durch mich.)
Belén Remacha, Amparo Larrauri, epidemióloga: "Nunca llegaremos a saber cuántas de las 43.000 muertes de más fueron directamente por COVID-19", https://www.eldiario.es, 02.06.2020, zuletzt aufgerufen am 05.06.2020.

3: Instituto Nacional de Estadística (INE) (Nationales Statistik-Institut), https://www.ine.es, zuletzt aufgerufen am 30.04.2020

4: Die Daten des INE über die monatlichen Sterbefälle in Spanien von 01/2019 bis 06/2019 sind vorläufig: https://www.ine.es, aufgerufen am 22.04.2020, veröffentlicht am 11.12.2019. Die endgültigen Daten des ersten Halbjahres 2020 werden im Dezember 2020 veröffentlicht.

5: https://momo.isciii.es/public/momo/dashboard/momo_dashboard.html, täglich aktualisiert und korrigiert. Der schattierte ist der Normalbereich, wie bei EuroMoMo, https://www.euromomo.eu/, ermittelt aus langjährigen Werten, und nur bei seiner Überschreitung spricht man von Übersterblichkeit.

Amparo Larrauri, Epidemiologin und Leiterin des MoMo-Teams und Wissenschaftlerin des Nationalen Epidemiologie-Zentrums: "Wovon genau sprechen wir, wenn wir sagen, dass es in Spanien einen 'Überschuss' von fast 43.000 Todesfällen während der Monate der Pandemie gibt, wenn die Gesundheitsbehörde 28.000 meldet? Diese 43.000 Todesfälle sind die Ergebnisse der täglichen Überwachung der Gesamtmortalität aller Ursachen des MoMo-Systems, und sie bedeuten die Differenz zwischen den Todesfällen, die wir für einen Zeitraum beobachten, und der erwarteten Sterblichkeit aus der historischen Reihe in Spanien für die letzten zehn Jahre. Letztere, die erwartete Sterblichkeit, wird aus Daten des Nationalen Instituts für Statistik (INE) mit einem mathematischen Modell der gleitenden Durchschnitte, das um Trend und Saisonalität bereinigt ist, gewonnen. Die täglich beobachtete Sterblichkeit stammt aus Daten des Justizministeriums aus den computergestützten Personenstandsregistern von fast 4.000 spanischen Gemeinden, darunter alle Provinzhauptstädte, die 93 % der spanischen Bevölkerung entsprechen. Eine sehr wichtige Menge an Informationen. Unter Verwendung des MoMo-Systems haben wir einen Überschuss an Todesfällen durch alle Ursachen während der ersten Pandemiewelle von COVID-19 geschätzt. Es ist sehr logisch zu vermuten, dass ein Teil der Übersterblichkeit direkt mit COVID-19 zusammenhängt. Es ist auch logisch, dass die tatsächlichen Todesfälle aufgrund von COVID-19 höher waren als die vom Gesundheitsministerium angegebene Zahl, da es sich um offizielle Zahlen der autonomen Regionen handelt, die nicht die Gesamtheit, sondern nur die mikrobiologisch bestätigten Todesfälle erfassen können. Und sie liegen alle innerhalb dieser vom MoMo geschätzten Überschreitungen. Das ist weder abnormal noch widersprüchlich: Es handelt sich um Studien, die sich nicht widersprechen, sondern ergänzen, um festzustellen, welche Auswirkungen die Pandemie tatsächlich hatte. Das Abnormale wäre, wenn sie gleich wären. Gesundheit gibt die durch COVID-19 bestätigten Todesfälle an; MoMo, die Todesfälle aus allen Ursachen, von denen viele auf COVID-19 zurückführbar sind. Und es wird noch einige Zeit dauern, bis wir die tatsächliche Sterblichkeit dieser Monate endgültig konsolidiert haben". (Eigene Übersetzung), Belén Remacha, Amparo Larrauri, epidemióloga: "Nunca llegaremos a saber cuántas de las 43.000 muertes de más fueron directamente por COVID-19", https://www.eldiario.es, 02.06.2020, zuletzt aufgerufen am 05.06.2020.

6: https://momo.isciii.es/public/momo/dashboard/momo_dashboard.html#datos, aufgerufen am 04.06.2020

7: Aufgerufen am 23.04., 01.05., 27.05., 02.06. und 04.06.2020.

8: https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps/, jeden Donnerstag aktualisiert; hier das Diagramm für Spanien aus dem Bulletin der Woche 20/2020, aufgerufen am 15.05.2020.

9: Am 31.03.2020 kam es zu einem Maximum von 2.466 Sterbefällen. Im Vergleich dazu starben im Jahr 2018, dem letzten Jahr, für das das Instituto Nacional de Estadística (Nationales Statistik-Institut) definitive Zahlen bereitstellt (https://www.ine.es/dyngs/INEbase/es/operacion.htm?c=Estadistica_C&cid=1254736177008&menu=ultiDatos&idp=1254735573002) durchschnittlich 1.172 Personen täglich.
Die täglichen Maxima während der vergangenen Grippe-Epidemien waren für mich nicht zu ermitteln, daher konzentriere ich mich auf die leichter vergleichbaren Monatswerte, zumal die Fixierung auf zeitlich als auch geografisch sehr kleine Ausschnitte den Blick besonders auf Extremwerte lenkt.

10: Instituto Nacional de Estadística (Nationales Statistik-Institut), https://www.ine.es/dynt3/inebase/index.htm?padre=1132&capsel=1134, aufgerufen am 22.04.2020.

11: Centro Nacional de Epidemiología, Monitorización de la Mortalidad diaria (MoMo) [Nationales Epidemiologie-Zentrum, Beobachtung der täglichen Mortalität (MoMo)], https://momo.isciii.es/public/momo/dashboard/momo_dashboard.html, aufgerufen am 04.06.2020.

12: https://momo.isciii.es/public/momo/dashboard/momo_dashboard.html#nacional, aufgerufen am 04.06.2020.

13: Eigene Berechnung.

14: Übersterblichkeit ist, laut Amparo Larrauri, Epidemiologin und Leiterin des MoMo-Teams und Wissenschaftlerin des Nationalen Epidemiologie-Zentrums, "... die Differenz zwischen den Todesfällen, die wir für einen Zeitraum beobachten, und der erwarteten Sterblichkeit aus der historischen Reihe in Spanien für die letzten zehn Jahre. Letztere, die erwartete Sterblichkeit, wird aus Daten des Nationalen Instituts für Statistik (INE) mit einem mathematischen Modell der gleitenden Durchschnitte, das um Trend und Saisonalität bereinigt ist, gewonnen."
(„...la diferencia entre las defunciones que observamos para un periodo, y la mortalidad esperada a partir de las series históricas en España de los últimos diez años. A esta última, la mortalidad esperada, llegamos a partir de datos del Instituto Nacional de Estadística (INE), con un modelo matemático de medias móviles que se ajustan por la tendencia y por la estacionalidad.“) https://www.eldiario.es/sociedad/llegaremos-cuantas-muertes-directamente-COVID-19_0_1033797562.html?_ga=2.257052940.607369215.1590683111-795171950.1590683111, 02.06.2020, zuletzt aufgerufen am 05.06.2020.


















Versuch der Einordnung der gesundheitlichen Gefährdung durch die COVID-19-Pandemie:

Das Sterbegeschehen im Frühjahr 2020 in Spanien und Deutschland im Vergleich zum allgemeinen Sterbegeschehen in beiden Ländern


2. Spanien


2.1. Das allgemeine Sterbegeschehen

Von 2014 bis Ende 2018 starben in Spanien jeden Monat zwischen 30.000 und 50.000 Menschen, jeweils mehr in der kalten Jahreszeit, vor allem während der Grippe-Saison, und weniger im Sommer, mit Ausnahme starker Hitzeperioden.3

Ebenso verhielt es sich von Januar bis Juni 2019.4

Auf der Seite des Mortalitäts-Monitoring des Instituto de Salud Carlos III in Madrid5, der Entsprechung des Robert-Koch-Instituts, finden sich die entsprechenden Daten seit Dezember 2019, allerdings werden in der Grafik die täglichen Sterbefälle dargestellt.

Die Monatszahlen als Vergleichsgröße lassen sich durch Nutzung der im .csv-Format zur Verfügung gestellten Datenbasis ermitteln.6

Die Daten werden täglich aktualisiert und korrigiert, auch noch nach 5 Wochen.7 So kam es Ende Mai 2020 zu einer außergewöhnlichen Nachmeldung von ca. 12.000 Sterbefällen.1



2.2. Das Sterbegeschehen in Spanien zwischen Februar und Ende Mai 2020

Wie man auf der Seite des Mortalitäts-Monitoring des Instituto de Salud Carlos III7 sehen und auch besonders deutlich den Diagrammen des European Mortality Monitoring (EuroMoMo) entnehmen kann,8 war die Sterblichkeit in der diesmaligen Grippe-Saison ungewöhnlich niedrig, anders als in den Grippe-Saisons 2016/17 und 2017/18.


Sterbegeschehen Spanien Woche 20-2020


(https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps/, jeden Donnerstag aktualisiert; hier das Diagramm für Spanien aus dem Bulletin der Woche 20/2020, aufgerufen am 15.05.2020)

Besonders auffällig aber ist das Sterbegeschehen in der Zeit zwischen dem 13.03. und dem 22.05.2020.9 Diese Anomalie – so steht zu vermuten – ist auf das neue Virus zurückzuführen, und ich werde versuchen, es in den Zusammenhang des allgemeinen Sterbegeschehens in Spanien zu stellen, indem ich es zum einen vergleiche mit dem Sterbegeschehen während der Grippe-Saisons, zum anderen mit einigen anderen, ständig vorhandenen Sterbeursachen und -verläufen.

Mortalidad España gripe y covid


März und April 2020 sind beides Monate mit weit über 50.000 Sterbefällen, was auch in vorangegangenen starken Grippe-Epidemien nicht vorkam.

Die sogenannte Übersterblichkeit, gemäß den Unterschieden zu den langjährigen Mitteln für diese Jahreszeit14, beträgt fast 41.000 Personen für den Viermonatszeitraum.

Auffällig ist die Konzentration der Übersterblichkeit auf einen relativ kleinen Zeitraum von nur 10 Wochen, die extreme Steilheit der Kurve.

Betrachtet man diesen für Grippe-Epidemien üblichen Viermonats-Zeitraum unabhängig von dem, was für die Jahreszeit üblich ist, ist die Zahl der Sterbefälle um 6% oder ca. 10.000 Personen höher als in der Grippe-Epidemie 2017/18, um 11 % oder ca. 17.300 Personen höher als in der Grippe-Epidemie 2016/17.

Unabhängig von der Betrachtungs- oder Darstellungsweise handelt es sich um ein ungewöhnliches Phänomen, was die Heftigkeit seines Verlaufs und die zeitliche Lage im Jahr betrifft. Auch rein quantitativ bewegt es sich – nach der Nachmeldung von ca. 12.000 Sterbefällen Ende Mai1 - nicht mehr im Rahmen des Sterbegeschehens während der Grippe-Epidemie 2017/18, als keine außerordentlichen Maßnahmen getroffen wurden, sondern um 6% darüber.2







---> Weiterlesen: 3. Deutschland










Inhalt

1. Problemstellung und Zusammenfassung

1.1 Problemstellung

1.2. Zusammenfassung


2. Spanien

2.1. Das allgemeine Sterbegeschehen

2.2. Das Sterbegeschehen in Spanien zwischen Februar und Ende Mai 2020

Tabelle 1: Monatliche Sterbefälle (alle Ursachen) in Spanien zu Grippe- und COVID-19-Zeiten


3. Deutschland

3.1. Das allgemeine Sterbegeschehen

3.2. Das Sterbegeschehen in Deutschland zwischen Januar und Ende April 2020

Tabelle 2: Monatliche Sterbefälle (alle Ursachen) in Deutschland zu Grippe- und COVID-19-Zeiten


4. Das übliche „Hintergrund“-
Sterbegeschehen in Spanien und Deutschland im Vergleich zu den Todesfällen mit COVID-19


5. Offene Fragen


6. Persönliche Nachbemerkungen im Mai 2021


7. Quellenverzeichnis


8. Materialien




PDF-Download dieser SeiteDownload als PDF

PDF-Download aller Seiten zu diesem Thema auf Deutsch
Download als PDF
34 Seiten, 900 KB

Ich bin dankbar für Hinweise auf Fehler und Verbesserungsvorschläge: r_a_wagner@gmx.de