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Offener Brief: Keine Bundeswehr-Werbung
in S- und U-Bahn!

 

An die
S-Bahn Berlin GmbH                     Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
Invalidenstraße 19                          Holzmarktstraße 15-17
10115 Berlin                                   10179 Berlin


Berlin, den 08.06.2011

Keine Werbung für die Bundeswehr!

Das Berliner Bündnis „Schule ohne Militär“ und Aktion Freiheit statt Angst e.V. haben mit Erschrecken festgestellt, dass in der Berliner S- und U-Bahn für eine „Karriere“ bei der Bundeswehr Werbung gemacht wird. Dabei wird auch noch der Spruch „Zukunft gestalten“ in den Vordergrund gestellt.

Welche Zukunft ist hier gemeint?
Handelt es sich um die statistisch gesehen verkürzte Zukunft des Bewerbers, der bei der Bundeswehr die Möglichkeit erhält früher zu sterben oder verstümmelt zu werden?
Oder ist es die Zukunft der Bewohner ferner Länder, die wir, wie in Kunduz, durch Bombardierungen verkürzen? 1)
Vielleicht handelt es sich auch um die Zukunft derjenigen, die in Schlauchbooten versuchen Europa zu erreichen und sich plötzlich hochgerüsteten FRONTEX Schnellbooten gegenüber sehen. Sie erhoffen sich ein menschenwürdiges Auskommen zu erlangen, nachdem in ihren Ländern kein Geld mehr vorhanden ist, weil unsere „erfolgreiche Wirtschaft“ 2) ihren korrupten Machthabern genügend Gewehre, Geschütze und Militärtransporter aufgeschwatzt hat, wodurch diese nebenbei, wie u. a. in Tunesien und Ägypten, zu Milliardären aufstiegen. Vielleicht kommen sie aber auch nur aus einem Land vor dessen Küste europäische oder japanische Fischfabrikschiffe ihnen den letzten Fang weggefischt haben. 3)

Sie werden natürlich sagen, für die Verkehrsbetriebe ist Werbung ein Geschäft. Da zählen Feingefühl und Moral nicht. Doch erst vor einiger Zeit hatten sich die Berliner Verkehrsbetriebe bei der Werbekampagne atheistischer Verbände „Es gibt wahrscheinlich keinen Gott“ ganz anders verhalten und die Werbeeinnahmen aus politischen Gründen in den Wind geschlagen. 4)

Es bleibt dabei: Das Töten von Menschen zu erlernen war nie, ist es auch heute nicht und darf auch zukünftig keine „normale“ Berufsausbildung sein. Der grundgesetzliche Auftrag der Bundeswehr zur Landesverteidigung hat sich mangels „Feinden“ spätestens seit 1989 erledigt. Die sogenannten Auslandseinsätze seither waren Kriege (Jugoslawien, Somalia, Afghanistan,..), die mit dem grundgesetzlichen Auftrag der Selbst- oder Landesverteidigung nichts zu tun haben.

Ein mutiges ziviles(!) Engagement für die gegen ihre (von uns jahrelang ausgehaltenen und hofierten) Despoten kämpfende arabische Zivilgesellschaft wäre ehrenwert, ist aber weder der wankelmütigen, um deutsche Wirtschaftsinteressen besorgten Kanzlerin abzunehmen, noch der französischen Regierung, die in Libyen nur ihre Ölinteressen sieht und die zuvor von ihnen selbst dorthin gelieferten Waffen und Flugzeuge zerstört und nebenbei „kollateral“ Menschen tötet. Ein Stück weiter östlich liefern dafür die USA Saudi Arabien über 100 neue Flugzeuge 5), während dieses Land gerade die Demonstranten im Nachbarland Bahrain zusammenschießt.

Die eigene Karriere mit diesen „Partnern“ gemeinsam zu gestalten kann weder langfristig gesund noch moralisch vertretbar sein. Mit der Werbung für den Kriegsdienst bei der Bundeswehr in S- und U-Bahnen positionieren Sie sich für die Neuausrichtung der Bundeswehr als weltweit agierende Interventionsarmee. Das ist nicht nur verfassungsrechtlich umstritten. Sie helfen aktiv dabei mit, einen gesellschaftlichen Ausnahmezustand - Krieg und die dazu gehörenden Handlungen - als normal darzustellen, und die Bevölkerung auf diesen permanenten Ausnahmezustand vorzubereiten.

Somit übernehmen Sie dann auch die Funktion, mit einer Werbekampagne der Bundeswehr, in der Kriegsführung als normale Berufausübung dargestellt wird, Jugendliche zu täuschen und die Öffentlichkeit an die Alltäglichkeit einer Aussenpolitik zu gewöhnen, die sich ausdrücklich zu Krieg als Mittel zur Durchsetzung auch ihrer wirtschaftlichen Interessen "bekennt". 6)

Unsere Forderungen sind deshalb:

  • keine Werbung für militärische Konfliktlösungen
  • keine Werbung für ein persönliches Engagement in militärischen Verbänden
  • stattdessen Einsatz für zivilgesellschaftliches Engagement zur Lösung von Problemen auf der Welt

Wir fordern die Verantwortlichen bei den Berliner Verkehrsbetrieben auf, in ihren Zügen und auf ihrem Gelände zukünftig keine weitere Werbung für die Bundeswehr zu gestatten.


Mit freundlichen Grüssen
Sigrun Steinborn                           Dr. Rainer Hammerschmidt
Bündnis „Schule ohne Militär“     Aktion Freiheit statt Angst e.V.

--
Links
1) Massaker von Kunduz, de.wikipedia.org/wiki/Kunduz-Aff%C3%A4re
2) SIPRI database, www.sipri.org/ oder Stern Artikel zu dt. Rüstungsexporten, www.stern.de/wirtschaft/news/friedensforschungsinstitut-sipri-deutsche-firmen-verdoppeln-ruestungsexporte-1550894.html
3) Illegale Fischerei vor afrikanischen Küsten, de.wikipedia.org/wiki/Illegale_Fischerei
4) Keine atheistische Werbung an Berliner Bussen www.buskampagne.de
5) US Waffendeal mit Saudi-Arabien, www.tagesschau.de/ausland/usasaudiarabien100.html
6) de Maiziere: Einsatz der Streitkräfte als Mittel der Politik, www.tagesschau.de/inland/bundeswehr508.html

Dieser Brief im Internet:
http://www.rwagner.eu/Schule-ohne-Militaer/OffenerBriefS-Bahn.html
http://www.aktion-freiheitstattangst.org/presse/pressemitteilungen

Kontakt:

Bündnis Schule ohne Militär                                Aktion Freiheit statt Angst e.V.
E-Mail: schule-ohne-militaer@lists.so36.net     E-Mail: kontakt@aktion-fsa.de
Web: www.schule-ohne-militaer.de                    Web: www.aktion-freiheitstattangst.org
                                                                                Rochstr. 3
                                                                                D-10178 Berlin
                                                                                Fon: +49-30-69209922-1
                                                                                Fax: +49-30-69209922-9


.... und die Reaktionen:

http://www.freitag.de/community/blogs/globi09/-keine-werbung-fuer-die-bundeswehr

Antwort der Werbeagentur der S-Bahn:

Ströer Out-of-Home Media AG . Ströer Allee 1 . 50999 Köln

17. Juni 2011
Konzernzentrale Ströer Out-of-Home Media AG Ströer Allee 1 50999 Köln
02236 96 45-0 Telefon
02236 96 45-299 Fax
-246 Durchwahl Fax

Bündnis Schule ohne Militär
Sigrun Steinborn
xxxxxxxx
xxxx Berlin

Kopie an:
Aktion Freiheit statt Angst e.V.
Dr. Rainer Hammerschmidt
Rochstraße 3
10178 Berlin

Stellungnahme der Ströer Out-of-Home Media AG zum Offenen Brief "Keine Bundeswehr-Werbung in S- und U-Bahn"

Sehr geehrte Frau Steinborn,
Sehr geehrter Herr Dr. Hammerschmidt,

vielen Dank für Ihre offenen Worte, zu denen wir uns gerne äußern möchten. In Ihrem Brief fordern Sie dazu auf, keine Werbung für die Bundeswehr bei den Berliner Verkehrsbetrieben zu gestatten.

Die Ströer Deutsche Städte Medien GmbH trägt mit ihren Werbeträgern dazu bei, die Botschaften von Unternehmen und Verbänden ihren Zielgruppen näher zu bringen. Damit unterstützen wir als Mittler die Meinungsbildung und nehmen daher grundsätzlich keinen Einfluss auf die beworbenen Inhalte. Jede Person, aber auch Institutionen wie Unternehmen und Verbände, hat das demokratische Recht seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, darunter fällt auch Werbung. Für den Schutz einer Meinung kommt es nicht darauf an, ob es sich um ein richtiges oder falsches, emotionales oder rational begründetes Werturteil handelt. Aus diesem Grunde lehnen wir jede Form der Werbeeinschränkung ab und stellen unsere Werbeträgern allen Werbetreibenden zur Verfügung - daher können wir auch Ihrer Forderung nicht entsprechen.

Nur unter ganz bestimmten - eng definierten - Umständen verweigern wir die Nutzung unserer Werbeträger, und zwar dann, wenn die zu veröffentlichende Werbung von Organisationen stammt, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen. Entsprechend dem Bundesverfassungsschutzbericht gehören dazu rechts- und linksextremistische Organisationen, ausländische extremistische Organisationen, islamistische Organisationen und Sekten.
Die Bundeswehr gehört dazu nicht.

Die von Ihnen angesprochene Werbung der Organisation Buskampagne wurde
2009 von den BerlinerJ/erkehrsbetrieben abgelehnt, da sie nach unseren Informationen keine weltanschauliche Werbung zulassen. Diesen Vorgang können wir nicht bewerten, da die Ströer Deutsche Städte Medien GmbH ausschließlich Werbeträger entlang der S-Bahn Berlin unterhält - die Berliner Verkehrsbetriebe mit ihren Werbepartnern betreiben dagegen die Werbeträger der U-Bahnen und Busse.

Wir bedauern es sehr, dass Ihre Werteinschätzung durch die genannte Werbung der Bundeswehr berührt worden sind. Wenn Sie sich weiterhin gegen diese Werbung einsetzen möchten, empfehlen wir Ihnen, sich an den Deutschen Werberat zu wenden.

Mit freundlichen Grüßen
Claudia Fasse

Direktorin Konzern-Kommunikation

 

Antwort der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG):

Sehr geehrte Frau Steinborn,
sehr geehrter Herr Dr. Hammerschmidt,

Ihre E-Mail vom 08.07.2011 haben wir erhalten. Die späte Beantwortung bitten wir zu entschuldigen.

Wir danken Ihnen für Ihre Nachricht und haben Ihre Beschwerde selbstverständlich aufmerksam gelesen.

Für die S-Bahn Berlin können wir jedoch nicht Stellung beziehen da wir hier keine Werbehoheit haben.

Jedoch ist es so, dass für den Inhalt einer Werbekampagne der Werbetreibende, also unser Kunde, verantwortlich ist. Die Wall AG kann auf die Gestaltung und den Inhalt eines Plakats keinen Einfluss nehmen, es sei denn, das Plakatmotiv verstößt gegen geltende, gesetzliche Regeln, was hier augenscheinlich nicht der Fall ist. Sollten Sie Ihre Beschwerde fortführen wollen, so können Sie diese an den Deutschen Werberat unter www.werberat.de<http://www.werberat.de/>, richten.

Wir hoffen Ihnen den Sachverhalt somit erläutert zu haben und wünschen Ihnen für die Zukunft stets gute und angenehme Erfahrungen mit unserem Angebot.

Mit freundlichen Grüßen

Daniela Mielenski
Kundenservice
FVM-B3
PLZ: 43431
Tel.: +49 30 19 449
Fax: +49 30 256-49256
Mail: info@BVG.de<mailto:info@BVG.de>

Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)
Anstalt des öffentlichen Rechts
Holzmarktstraße 15-17, 10179 Berlin
Telefon: +49 30 256-0
Telefax: +49 30 256-49256
http://www.BVG.de

Vorstand:
Dr. Sigrid Evelyn Nikutta (Vorsitzende) Henrik Falk Lothar Zweiniger

Vorsitzender des Aufsichtsrates:
Senator Dr. Ulrich Nußbaum

Sitz: Berlin
AG Charlottenburg, HRA 31152